Bitcoins liegen im Trend. Die elektronische Währung wird nicht durch eine zentrale Instanz wie etwa Zentralbanken geschaffen, sondern dezentral in einem Peer-to-Peer-Netzwerk mit diversen Computern, die dafür Rechenleistung zur Verfügung stellen müssen. Momentan sind ungefähr 12 Millionen Bitcoins im Umlauf, wobei bis im Jahr 2040 ein Total von 21 Millionen generiert wird. Die «Kryptowährung» wird allerdings auch verschiedentlich kritisiert. Wir haben beim Bitcoin-Experten Luzius Meisser nachgefragt.
Moneyland-Redaktion: Sie sind Mitgründer der Bitcoin Association Switzerland. Was fasziniert Sie an Bitcoins?
Luzius Meisser: Die Idee eines komplett dezentral organisierten, elektronischen Währungssystems ist nicht neu. Allerdings wusste lange Zeit niemand, wie man ein solches System bauen könnte. Dann kam Bitcoin und hat zur Überraschung vieler Experten, auch mir selbst, gezeigt, dass es doch geht. Die Technologie hinter Bitcoin ist revolutionär und birgt ein gewaltiges Potential.
Eine notwendige Voraussetzung für eine starke Währung ist ihre Stabilität. Bitcoins weisen starke Wertschwankungen auf – bis zu 20 Prozent pro Tag sind keine Seltenheit. Sind das nur anfängliche oder aber systemisch bedingte Schwierigkeiten?
Zu einem grossen Teil sind diese Schwankungen dadurch bedingt, dass noch niemand weiss, was die Zukunft bringt und was demzufolge ein Bitcoin wirklich wert ist. Die Volatilität ist tendenziell am Abnehmen, wird aber noch einige Zeit hoch bleiben. Ich denke nicht, dass Bitcoin einmal so stabil wird wie der Schweizer Franken, aber mit volatileren Währungen oder etwa Gold wird es Bitcoin in zehn Jahren vermutlich schon aufnehmen können – vorausgesetzt, es gibt Bitcoin dann noch.
Hat Bitcoin gar das Potential zur Leitwährung?
Ausschliessen kann man das nicht. Zumindest den Chinesen käme es gelegen, wenn der Dollar entthront würde. Das ist am Ende aber auch eine politische Frage. Der Weg dahin ist noch sehr, sehr lang.
Der Bitcoin ist unter anderem geschaffen worden, um eine Alternative zu klassischen Währungen zu schaffen, die auf dem Vertrauen gegenüber Banken und Zentralbanken basieren. Um sich als akzeptiertes Zahlungs- und Wertmittel durchzusetzen, ist doch aber auch der Bitcoin auf Vertrauen angewiesen?
Das stimmt. Bitcoin bedingt Vertrauen in eine Technologie, traditionelle Währungen hingegen in den Staat. Wer langfristig mehr Vertrauen verdient, muss sich noch zeigen.
Der Bitcoin gilt als dezentrale Währung ohne zentrale Kontrollinstanz. Wie werden denn notwendige Entscheidungen bezüglich der Währung gefällt, zum Beispiel bezüglich der Frage, ob die Bitcoin-Obergrenze eines Tages erhöht werden sollte?
Solche Änderungen erfordern den Konsens einer grossen Mehrheit der in Bitcoin involvierten Parteien: Programmierer, Miner, Zahlungsverarbeiter und Benutzer. Solch tiefgreifende Parameter wie die Anzahl in Umlauf zu setzende Bitcoins lassen sich zu diesem Zeitpunkt kaum mehr ändern.
Durch die Festlegung der Maximalmenge hat Bitcoin klar deflationäre Tendenzen – der Wert eines Bitcoin hat sich in kurzer Zeit mehr als vertausendfacht. Sie rechnen sogar mit einem Wert von gegen 10'000 US-Dollar pro Bitcoin bis ins Jahr 2015. Ist eine weitere Deflation unumgänglich?
Eine leichte Deflation ist bei zunehmender Verbreitung von Bitcoin tatsächlich unumgänglich. Allerdings handelt es sich bei der Deflation um nichts Existenzbedrohendes, wie einige Schwarzmaler weismachen wollen. Deflation ist ein Luxusproblem, denn sie tritt nur dann auf, wenn es auch Wachstum gibt. Und das ist ja schon mal eine gute Nachricht.
Die enorme Wertsteigerung übervorteilt die anfänglichen Nutzer und Investoren – entstehen hier nicht von Beginn weg markante Vermögensungleichheiten?
Im Gegenteil. Anders als viele andere revolutionäre Technologien steht es bei Bitcoin von Anfang an jedem offen, mit einzusteigen. Oft – etwa bei Facebook – bleibt es Otto Normalinvestor verwehrt, zu einem frühen Zeitpunkt Aktien zu kaufen. Wenn Bitcoin tatsächlich das volle Potential entfalten sollte, dann sind wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt immer noch in einer frühen Phase.
Der Bitcoin könnte als eine Bedrohung für das traditionelle, durch Zentralbanken gesteuerte System betrachtet werden. Besteht da nicht die Gefahr, dass Staaten den Gebrauch von Bitcoins verbieten werden?
Diese Gefahr wird überschätzt. Es gibt wenig Anlass, das System als Ganzes zu verbieten. Natürlich muss man Bitcoins auf gesetzeskonforme Art und Weise verwenden – wie jede andere Währung auch.
Für den täglichen Zahlungsverkehr scheint es auch einige technische Hürden zu geben. So sollen Zahlungen mit Bitcoins nicht rückgängig gemacht werden können.
Wenn ich Ihnen einen Fünfliber gebe, kann ich das auch nicht so einfach rückgängig machen – und trotzdem ist Bargeld sehr verbreitet. Solange die Gegenpartei einer Transaktion vertrauenswürdig ist, wird sie allfällig fälschlich überwiesene Beträge zurückgeben. Wenn man Pech hat, und Bitcoins aus Versehen an eine ungültige Adresse überweist, sind die Bitcoins aber für immer verloren. Etwa so, wie wenn einem Bargeld vom Sessellift hinunterfällt. Ein grosses Problem stellt das aber nicht dar.
Es gibt bereits verschiedene andere Kryptowährungen. Sind diese eher eine Gefahr oder eine Chance für den Bitcoin?
Weder noch. Die Gefahr, die von anderen Kryptowährungen ausgeht, ist klein. Das ist ein klassischer «The-winner-takes-it-all»-Markt, und Bitcoin hat bereits einen fast uneinholbar grossen Vorsprung. Es müssten entweder extreme Schwachstellen aufgedeckt, oder eine Alternativwährung mit völlig neuartigen Vorteilen geschaffen werden, um Bitcoin in Bedrängnis zu bringen. Mögliche Chancen für Bitcoin bestehen darin, dass Alternativwährungen neue Möglichkeiten oder Probleme aufzeigen – etwa potentielle Schwachstellen. Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass die nicht zuerst bei Bitcoin selbst gefunden würden, denn hier schauen viel mehr Augen hin.
Am meisten gehandelt werden Bitcoins neuerdings in China. Wie erklären Sie sich das grosse chinesische Interesse?
Als Schweizer kann ich nur mutmassen und sehe drei Faktoren: Erstens scheint die Regierung Bitcoin gutzuheissen, zumindest wird am staatlichen Fernsehen wohlwollend über Bitcoin berichtet. Im Gegensatz zu Europa ist zweitens die grosse Mehrheit der Millionäre in China jung und risikofreudig – und legt dementsprechend gerne in Bitcoin an. Bitcoin ist drittens eine Möglichkeit, die strikten Kapitalkontrollen zu umgehen und grössere Geldbeträge ins Ausland zu schaffen.
Wenn Sie eine Prognose wagen würden: wo steht der Bitcoin in fünf Jahren?
In fünf Jahren ist Bitcoin entweder in Vergessenheit geraten oder spielt eine tragende Rolle im Internet-Zahlungsverkehr. Vergleicht man die Geldmenge – also den Wert aller sich im Umlauf befindlicher Bitcoins – mit derjenigen anderer Währungen, sind wir mit 10 Milliarden USD im Moment ungefähr auf dem Niveau von Kuba. Eine Kurssteigerung um einen Faktor von 10 liegt also durchaus noch drin in einem optimistischen Szenario.
Zu guter Letzt: Wie erwerbe ich mir als Privatperson am einfachsten einen Bitcoin?
Das Errechnen von Bitcoins lohnt sich für Amateure nicht mehr – der Strom, der ein normaler Computer dafür braucht, ist zu teuer. Die einfachste Möglichkeit, Bitcoins zu erwerben: Bitcoins von einem Bekannten abkaufen. Man kann auch lokale Verkäufer auf localbitcoins.com finden oder die Bitcoins online auf Seiten wie bitcoin.de oder bitstamp.net erstehen. Generell empfiehlt es sich, Guthaben nicht länger als nötig auf solchen Seiten liegenzulassen, denn in der Vergangenheit ist es auch vorgekommen, dass Bitcoin-Börsen in Zahlungsschwierigkeiten geraten sind. Es ist aber eine Professionalisierung zu beobachten – das Risiko solcher Probleme nimmt zunehmend ab. Eine weitere Möglichkeit ist es, eines unserer Meetups zu besuchen, welche alle zwei Wochen stattfinden. Hier findet man schnell Leute, die einem ein paar Bitcoins abkaufen oder verkaufen.
Weitere Informationen zum Bitcoin Meetup Switzerland
Moneyland-Redaktion, 27. November 2013