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Interviews

Brett King: «Movenbank wird Bankenindustrie revolutionieren»

Brett King ist Autor des Bestsellers «Bank 2.0» und Gründer der Mobile-Bank Movenbank. Mit der Movenbank plant Brett King das Kundenerlebnis in der Bankenindustrie zu revolutionieren, und zwar ohne Bankkarten, ohne Papier und ohne Filialen.

Der Start der Movenbank ist dieses Jahr geplant. In den USA gibt es bereits zahlreiche Banken – warum sollten sich Kunden zusätzlich auch noch für Ihre Bank entscheiden?

Brett King: Unsere Dienstleistungen sind einmalig: Wir offerieren eine gänzlich neue Art, wie Sie täglich mit Ihrem Geld in Verbindung treten können. Bis jetzt kann keine Bank einen ähnlichen Dienstleistungsstandard bieten. Die meisten Banken verdienen ihr Geld dadurch, dass ihre Kunden die Bankgebühren nicht kennen, die ihnen etwa im Kreditgeschäft belastet werden. Die Folge ist, dass Ihnen die Banken – abgesehen von der Bereitstellung eines Sparkontos – nicht wirklich beim Sparen helfen.

Wir helfen Ihnen zu verstehen, wie Sie Ihr Geld täglich brauchen und zeigen Möglichkeiten auf, wie Sie jeden Tag ein wenig mehr sparen können. Für das Sparen belohnen wir Sie zusätzlich: Je mehr Sie sparen, und je solider Ihre Finanzsituation ist, desto geringer werden Ihre Kosten ausfallen.

Die Movenbank basiert ausschliesslich auf Mobile-Geräten. Gibt es denn schon genügend Detailhändler und Bankomaten, die kontaktloses Bezahlen und Abheben ermöglichen?

In den USA gibt es ungefähr eine halbe Million kontaktlose Verkaufsstellen – Tendenz stark steigend. Drei Städte sind bereits sehr gut ausgerüstet: New York, Austin und San Francisco. Unser primärer Fokus wird anfänglich diesen Städten gelten. New York wird bis Ende 2012 über ungefähr 900 kontaktlose Bankomaten verfügen.

Wir erwarten, dass die Hälfte der Detailhandelsgeschäfte in den USA bis 2014 über die Möglichkeit des kontaktlosen Bezahlens verfügen wird. Die Movenbank ist hier einen Schritt voraus. Wir sind überzeugt, dass sich Mobile-Bezahlungsformen rasch etablieren werden – für diese neue Wirklichkeit schaffen wir ein spezifisches Kundenerlebnis.

Wie viele Kunden brauchen Sie, um profitabel zu werden?

Wir brauchen nur etwa 30’000 Kunden, die durchschnittlich je eine Transaktion pro Tag realisieren, um profitabel zu werden. Dank den bereits jetzt registrierten Nutzern haben wir hier einen gesunden Vorsprung. Wir erwarten deshalb, dass wir schon innerhalb des ersten Jahres profitabel sein werden.  

Die Movenbank hat selbst keine Banklizenz – welche Vor- und Nachteile bringt das mit sich?

Die Vorteile sind, dass wir in erster Linie in das Kundenerlebnis investieren können. Wir können also viel mehr für unsere Kunden tun, als es auf dem traditionellen Weg mit Banklizenz der Fall wäre. Die Banklizenz selbst ist kein wesentliches Unterscheidungsmerkmal – es gibt über 7'000 Banklizenzen in den USA. Was uns wirklich von anderen Banken unterscheidet ist unser Interaktionsmodell.

Im Rahmen unserer zukünftigen Wachstumsstrategie müssen wir eine Banklizenz unter Umständen in Betracht ziehen, um den Kunden auch in Zukunft möglichst wettbewerbsfähige Konditionen offerieren zu können. Anfänglich lagern wir entsprechende Dienstleistungen aber gerne aus, zumal unsere Bankpartner über ausgezeichnete Kernbankensysteme verfügen.

Movenbank möchte Facebook und andere Social-Media-Kanäle aktiv nutzen. Sogar Ihr Kreditvergabesystem CRED wird durch das Social-Media-Verhalten Ihrer Kunden beeinflusst werden. Können Sie uns Ihre Social-Media-Strategie erläutern?

Das Verhalten eines Kunden hilft uns, seine Finanzsituation zu beurteilen. Wir schauen in erster Linie darauf, wie eine Kunde sein Geld ausgibt, spart und wie er mit Risiko umgeht. Dabei hat ein Kunde die Möglichkeit, die CRED-Punktezahl positiv zu beeinflussen, indem er die Rechnungen pünktlich bezahlt und das Verhältnis von Erspartem und Ausgaben optimiert. Wir belohnen aber auch Kunden mit einer breiten Social-Media-Vernetzung und solche, die über uns tweeten oder uns an Social-Media-Freunde weiterempfehlen. Dabei handelt es sich um mehr als traditionelle Weiterempfehlungsanreizsysteme: So können Kunden ihre Konditionen und Gebühren bei der Movenbank durch Social-Media-Weiterempfehlungen in Echtzeit beeinflussen.

In Europa gibt es eine hitzige Debatte, ob Facebook-Nutzerdaten zur Bestimmung der Kreditwürdigkeit verwendet werden dürfen. Befürchten Sie keinen Widerstand gegen Ihre Social-Media-Strategie aus Datenschutzgründen?

Meiner Meinung nach ist es ein Fehler, Facebook-Daten als Bedrohung der Datensicherheit wahrzunehmen – das Gegenteil kann der Fall sein. Entsprechende Nutzerdaten sind auf Social Media bereits omnipräsent – daran ändern auch die Warnungen vor Identitätsklau und anderen Sicherheitsrisiken nichts. Die entscheidende Frage lautet vielmehr: Wie möchten wir unsere Identität in der neuen Daten-Welt aufbauen?

Die gängigen Methoden zur persönlichen Identifikation durch Geburtsdatum, Adresse, Sozialversicherungsnummer und so weiter sind nicht mehr so sicher wie einst. Finanzinstitute, die nur noch auf diese alten Methoden vertrauen, werden Identitätsklau, Betrug und anderen Sicherheitsrisiken Tür und Tor öffnen. Wir brauchen deshalb neue Rahmenbedingungen für die Identitätsbestimmung.

Bei der Movenbank wissen wir aufgrund der Anzahl der Freunde, die eine Kunde hat, der Art der Aktivität und Interaktionen auf Social Media sowie seiner finanziellen Daten und persönlichen Angaben, ob es sich um einen realen Kunden oder bloss um eine fingierte Identität handelt. Unsere Nutzung der Social Media macht den Identitätsprüfungsprozess der Movenbank also weit sicherer als der Prozess bei einer traditionellen Bank. Natürlich nutzen wir die Kundendaten nur für den internen Gebrauch und geben sie nicht weiter.

Als weltweit agierender Redner wissen Sie über die Retail-Banking-Industrie vieler Länder Bescheid. Welche Länder sind am fortschrittlichsten?

Es gibt kein Land, das man als klaren Sieger benennen könnte. In vielerlei Hinsicht sind aber besonders die Wachstumsmärkte wie China, Indonesien oder Brasilien besonders gut gerüstet für zukünftiges Wachstum im Mobile- und Tablet-Banking, welches die Bankenindustrie in weniger als 5 Jahren dominieren wird. Aus regulatorischer Sicht sind die EU, Hongkong, Singapur und Australien ein wenig besser für den Fortschritt vorbereitet. Die USA sind mittlerweile in vielen Bereichen überreguliert und in anderen Bereichen wie der Kreditkarten-Infrastruktur für Chip Cards (EMV) unterentwickelt. Im Allgemeinen würde ich Australien, Singapur und Brasilien hervorheben, die über die beste Mischung an technologischer Innovation und regulatorischen Rahmenbedingungen verfügen – aber auch diese Wahl kann sich rasch wieder ändern.

Auch die Philippinen und Kenia sind gute Beispiele für die Transformation zu neuen Banking-Modellen für weite Bevölkerungskreise, die ursprünglich keinen Zugang zu Bankendienstleistungen hatten. So sind in den letzten sechs Jahren zusätzliche 40 Prozent der kenianischen Bevölkerung in den Genuss von Bankendienstleistungen gekommen – dank dem privaten bargeldlosen Zahlungsverkehr über Mobile-Geräte (M-Pesa). Das ist ein fantastischer Fortschritt und das schnellste Wachstum aller Zeiten im Bereich Kernbankendienstleistungen für eine breite Bevölkerung.

Rund die Hälfte der Weltbevölkerung hat nach wie vor keine Bank. Das eigentliche Wachstum in den nächsten zehn Jahren wird deshalb auf der Basis von einfachen und günstigen Smartphones stattfinden. Bankindustrien hingegen, die weiterhin stark auf physische Filialen, physische Due-Diligence-Prozesse und andere Überbleibsel aus der Vergangenheit setzen, werden massiv in ihrem Wachstum gebremst werden.

Wie innovativ sind Schweizer Banken Ihrer Meinung nach?

Eines der grössten Probleme ist die unter Schweizer Privatbanken verbreitete Ansicht, dass Internet und Mobile Banking nur für Retailbanken, aber nicht für Privatbanken interessant seien. Das veränderte Kundenverhalten betrifft aber längst nicht nur die Retailbanken: In vielerlei Hinsicht gehören High-Net-Worth-Kunden zu den Erstanwendern neuer Technologien wie Tablet- und Mobile-Geräte. Aufgrund des mangelnden Kundendialogs ist gerade das obere Segment der Schweizer Bankenlandschaft besonders in Schwierigkeiten. Die goldigen Zeiten der Privatbanken sind ernsthaft bedroht.

Wo steht die Movenbank in fünf Jahren?

Ich hoffe, dass wir in fünf Jahren behaupten können, dass wir einer der weltweit schnellst wachsenden Finanzdienstleister mit einer äusserst loyalen und zufriedenen Kundschaft sind.

Moneyland-Redaktion, 5. Juli 2012

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