Hi juerg7
Das Problem liegt daran, dass der ETC auf Futures basiert. Diese haben jeweils eine Laufzeit und müssen vor dem Verfall in den nächsten Kontrakt «geroll» werden, also durch einen neuen Future-Kontrakt mit einem Auslieferungszeitpunkt später in der Zukunft ersetzt werden.
Dein Produkt basiert auf WTI Futures, die an der NYMEX gehandelt werden. Diese Futures beinhalten jeweils eine physische Lieferung des Basiswerts (WTI LIGHT SWEET CRUDE OIL) zu einem bestimmten Zeitpunkt («expiration date», für jeden Monat ein Future-Kontrakt).
Ich nehme an, du hast das Produkt über mehrere Monate gehalten. In diesem Fall wird der zugrundeliegende Future-Kontrakt vor Verfall verkauft und in den nächsten Kontrakt reinvestiert (es fallen Rollkosten an, weil der Future in den nächsten Monat «gerollt» wird).
Im Basisinformationsblatt hier des Produkts findest du folgenden Hinweis: «Aufgrund der begrenzten Laufzeit von Warenterminkontrakten wird der laufende Warenterminkontrakt vor Ende seiner Laufzeit durch einen anderen Warenterminkontrakt mit einem in der Zukunft liegenden Verfallstermin und sonst gleichen Kontraktspezifikationen ersetzt (so genannter „Roll Over“).».
Beispiel
Der April-Kontrakt lief am 20. April aus. Viele Marktteilnehmer verkauften den Kontrakt kurz vor dem Verfall (wahrscheinlich, weil sie nicht an einer physischen Auslieferung des Basiswerts (Öl) interessiert waren, sondern nur spekulative Interessen hatten). Dies führte im April-Kontrakt kurzfristig zu negativen Preisen für die Auslieferung des Basiswerts.
Der ETC, muss in diesem Fall die Verluste realisieren und den nächsten Kontrakt (Mai-Kontrakt) kaufen, usw.
Der Mai-Kontrakt war jedoch, meines Wissens, weit von einem negativen Terminpreis (Preis bei Lieferung am 20. Mai) entfernt.
Folglich war es gar nicht möglich, mit Futures oder darauf laufende ETC vollumfänglich vom massiven Preisanstieg zu profitieren. Ausnahme: Marktteilnehmer mit Lagerkapazitäten, die in der Lage waren sich Öl im April ausliefern zu lassen, konnten dies zu einem negativen Preis machen, bekamen also noch Geld für den «Kauf» und konnten es später teurer verkaufen.
Fazit
Den Spot-Preis von WTi, auf den du dich beziehst, kannst du mit ETCs nicht 1:1 abbilden.
Für langfristige Anlagen in einen Rohstoff eignen sich ETC weniger, weil ständig neue Future-Kontrakte gekauft werden müssen und Rollkosten anfallen (ausserdem fallen noch Produktkosten an). Die führt langfristig zu einer Underperformance.
Wenn du langfristig mit steigenden Ölpreisen rechnest, könntest du alternativ den Rohstoff physisch kaufen (im Fall von Öl wohl keine Option) oder dich an Öl-Aktien beteiligen (wobei dann operative Risiken dazukommen).
Eine weitere und transparentere Art auf einen steigenden (oder fallenden) Ölpreis zu spekulieren, ist direkt über Futures. Wenn du beispielsweise einen Future-Kontrakt mit langer Laufzeit kaufst, beispielsweise CRUDE OIL FUTURE mit Verfall Dezember 2021, kannst du den Kontrakt längere Zeit halten, ohne verkaufen oder rollen zu müssen. Du kannst aber sehen, dass dieser Kontrakt auch in der Corona-Krise über USD 30 notierte, denn der Markt rechnete auch in der Corona-Krise nicht damit, dass der Ölpreis im Dezember 2021 unter 30 sein wird (auch wenn er kurzfristig negativ war).
Vielleicht gibt es auch andere Produkte, mit denen du den Spot-Preis besser abbilden kannst, da kenne ich mich zu wenig aus, aber ich bezweifle, dass dies überhaupt 1:1 möglich ist.
Gruss
Chris