Die Finanzbranche befindet sich im Umbruch – welche Rolle spielt das Internet in diesem Prozess?
Marc P. Bernegger: Meiner Meinung nach wird sich die Finanzbranche durch die Auswirkungen der digitalen Revolution in den kommenden Jahren ähnlich markant verändern, wie dies schon in anderen Industrien geschehen ist. Wenn man rückblickend betrachtet, was sich dank dem Internet zum Beispiel im Verlagswesen oder Handel alles verändert hat und diese Entwicklungen mit dem Status Quo in der Finanzbranche vergleicht, ist es frappant, wie wenig hier bisher passiert ist. Die kommende Transformation bietet fantastische Möglichkeiten für neue Ideen und Startups, die sich in den Bereichen Finance 2.0 und Banking 2.0 positionieren können.
Wie können denn IT-Startups Ihrer Meinung nach Einfluss auf die Finanzindustrie nehmen?
In Zukunft werden die Grenzen zwischen reinen Technologie-Unternehmen und Finanzinstituten zu einem grossen Teil verschwinden. Viele Banken haben schon heute stark durch IT-Prozesse dominierte Strukturen und sind diesen oft «ausgeliefert». Innovative Technologie-Startups haben den Vorteil, dass sie viel dynamischer agieren können als etablierte Konzerne. Mich würde es deshalb nicht erstaunen, wenn sich IT- und Internet-Unternehmen zukünftig vermehrt ins Bankengeschäft hineinbewegen, um deren Wertschöpfungskette zu erweitern.
Was für einen Fokus haben Sie mit Ihrer Beteiligungsgesellschaft?
Zusammen mit meinen beiden Gründungspartnern, Thomas Winkler und Robert Lempka, fokussieren wir uns bei NGFI ausschliesslich auf Startups, deren technologische Innovationen zu Effizienzsteigerungen in der Finanzbranche führen. Das sind oft völlig neue innovative Geschäftsmodelle, die schnell und international skalierbar sind. Des Weiteren müssen die Unternehmen potenzielle «Game Changer» sein, das heisst wir suchen Ideen, die fundamentale Veränderungen in der Finanzbranche auslösen oder zumindest von solchen Veränderungen profitieren. Nicht umsonst spricht man in Anlehnung an den Begriff «Web 2.0» bei solchen Services auch von «Finance 2.0», «Banking 2.0» oder «Next Generation of Finance».
An welchen Firmen sind Sie bereits konkret beteiligt?
Aktuell sind wir mit Next Generation Finance Invest bei sechs Unternehmen beteiligt: Oanda, Gekko Global Markets, ayondo, 2iQ Research, yavalu und Stockpulse. Da wir uns bewusst in einer Nische bewegen, bestehen zwischen unseren Portfolio-Unternehmen grosse Synergien, welche spannende Anknüpfungspunkte ermöglichen.
Welchen Veränderungen müssen sich traditionelle Offline-Banken in Zukunft unterziehen, wenn Sie auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben möchten?
Ausgelöst durch technologische Innovationen wird sich – unter den Gesichtspunkten Transparenz und Effizienzsteigerung – der Zugang zu den Angeboten der Finanzbranche stark demokratisieren. Traditionelle Banken und Vermögensverwalter werden nicht umhin kommen, sich diesem für sie schmerzhaften Veränderungsprozess zu fügen. Sie müssen also dem Kunden gegenüber offener sein, ihre Strukturen effizienter gestalten und vor allem die häufig ungerechtfertigt hohen Gebühren vergünstigen. Ihre Plattform Assetinum ist übrigens ein sehr gutes Beispiel dafür, wie sich der Zugang zu Finanzdienstleistungen für den Endkonsumenten zukünftig verändern wird.
29. Februar 2012
Weiterführende Informationen:
Robo Advisors
Artikel rund um Finance 2.0