Sie machen sich dafür stark, dass Schweizerinnen und Schweizer vermehrt in Aktien investieren. Was sind Ihre Beweggründe?
Therese Fässler: Vor einiger Zeit wurde mir bewusst, wie ernst das Thema Ungleichheit nicht nur zwischen Staaten, sondern auch innerhalb einzelner Staaten ist. Es geht um die Frage, warum so wenig Leute so viel haben und so viele Leute so wenig.
Ein kleiner Teil der Bevölkerung besitzt einen sehr grossen Teil der Wirtschaft, weil sie Aktien – also Anteile an Firmen – besitzen. Sie profitieren, wenn es der Wirtschaft gut geht. Die Lösung ist, dass alle, auch Leute mit kleinen Ersparnissen, in Aktien investieren.
Anders formuliert: Sie sollten besser in Apple, als in ein iPhone investieren.
Sie kennen als in der Schweiz wohnhafte US-Amerikanerin sowohl die Schweiz als auch die USA. Wie erklären Sie sich, dass Schweizer viel weniger in Aktien investieren als Amerikaner?
Die Schweiz gilt als ein Volk von Sparern, das Aktien skeptisch gegenübersteht. Allerdings stimmt das nur teilweise: Über ihre Pensionskasse besitzen Schweizerinnen und Schweizer schon heute relativ viele Aktien.
Die Schweizer können gut sparen, budgetieren und sich selbst versichern. Aber sie sind beim Vermögensaufbau und bei der Altersvorsorge auf den Staat und die Finanzinstitutionen angewiesen. Die meisten Schweizerinnen und Schweizer investieren jedoch nicht direkt selbst in Aktien.
Welche Vorteile haben den Aktien gegenüber Sparkonten und anderen Anlageformen?
Sparkonten unterscheiden sich grundlegend von Anlagen in Wertpapieren. Wertpapiere haben neben dem Nennwert einen Kurswert, der normalerweise schwankt. In diesen Schwankungen liegt das Risiko. Sparkonten unterliegen diesen Schwankungen nicht, sondern haben einen Zinssatz, er im besten Fall die Teuerung ausgleicht.
Historisch zeigt sich, dass die Rendite von Aktienanlagen im Vergleich zu Obligationen oder Sparkonten höher ist. Zudem sind sich die Experten weitgehend einig, dass Aktien einen guten Schutz gegen Inflation bieten. Experten sprechen auch vom Fisher-Effekt.
Für langfristig denkende Anleger eignen sich Aktien daher am besten. Kurzfristig können Aktienkurse natürlich sehr stark schwanken. Daher ist es wichtig, jede Investition sorgfältig abzuwägen und zu überwachen. In Aktien sollte Sie nur den Teil Ihres Vermögens investieren, auf den Sie viele Jahre lang verzichten können.
Wie motivieren Sie denn Schweizerinnen und Schweizer, mehr in Aktien zu investieren?
Ich versuche, den Leuten die Wichtigkeit von Finanzkompetenz bewusst zu machen. Das Ziel ist es, Communities von neuen Investoren zu schaffen, die sich gegenseitig beim Anlegen helfen.
Mir ist es auch wichtig, dass Schüler und Auszubildende über Wirtschaftszyklen und den Wert des Besitzes von Kapital unterrichtet werden. Dafür habe ich an der Badener Berufsschule einen Kurs für Lehrer gegeben, wie man heutzutage trotz Nullzins auf dem Bankkonto noch von einer wachsen Wirtschaft profitieren kann.
Sollte denn jede Schweizerin Ihrer Meinung nach in Aktien investieren?
Grundsätzlich sollten alle im Rahmen ihrer Möglichkeiten in Aktien investieren. Langfristig bildet das Aktiensparen ein individuelles Vermögen und beteiligt alle am wirtschaftlichem Entscheidungsprozess.
Nach der modernen Portfoliotheorie und empirischen Erkenntnissen sollte jeder mindestens einen Bruchteil des Vermögens in Aktien investieren, um die so genannte Aktienrisikoprämie zu nutzen. Ich habe das auf meinem Blog erläutert.
Gemäss zahlreichen Studien ist es aber nicht rational, in Einzelaktien zu investieren.
Sie sprechen einen wichtigen Punkt an: die Diversifizierung. Durch Diversifizierung werden gewisse Risikokomponenten reduziert. Wir empfehlen immer, den Aktienbesitz zu diversifizieren, das heisst nicht nur in einen Aktientitel zu investieren.
Ein weiteres wichtiges Anliegen ist die Mitbestimmung. Als direkter Aktionär können Sie bei wichtigen Fragen der Unternehmung mitentscheiden.
Wo sehen Sie Vor- und Nachteile von Aktien gegenüber ETFs und Indexfonds?
Mit beiden Formen ist eine Diversifizierung möglich. Bei Fonds können Sie jedoch nicht direkt mitentscheiden. Zudem fallen bei Fonds-Anlagen und ETFs die wiederkehrenden Gebühren negativ ins Gewicht. Diese fallen bei kollektiven Anlageformen tendenziell höher aus. Die meisten Menschen wissen bei einem ETF ausserdem nicht, was sie besitzen.
Was halten Sie von Robo Advisor?
Innovationen am Finanzmarkt interessieren mich immer. Persönlich sehe ich aber noch kein Angebot, dass ich wirklich gut finde. Vor allem wegen der intransparenten Modelle und der vergleichsweise hohen Preise.
Sie betonen die Wichtigkeit, Anteile an Firmen zu besitzen. Leider haben kleine Anleger sowieso nichts zu melden. Nur institutionelle Anleger können Einfluss nehmen.
Jeder Aktionär darf seine Anliegen vortragen. Natürlich entscheidet am Ende des Tages die Mehrheit der Aktionäre. Um mitreden zu können, müssen Sie eine Stimme haben. Kaufen Sie also eine Aktie, um abstimmen zu können. Die Demokratisierung der Wirtschaft ist ein iterativer Prozess mit vielen kleinen Schritten.
Allerdings wird der Aktienmarkt kaum jemals demokratisch sein. In der Praxis besitzen wenige Reiche und grosse Firmen den grössten Teil der Aktienmärkte.
Sie sprechen zwei Punkte an: Corporate Governance und die Verteilung des Vermögens. Wir sind der Auffassung, dass alle mit Aktien Vermögen bilden können. Es lohnt sich auch für weniger Vermögende, Aktionär zu sein.
Wie muss ich vorgehen, dass ich als Kleinaktionär zu Stimmrechten komme?
Bei manchen traditionellen grösseren Banken werden Sie als Aktienbesitzer einfach angeschrieben. Dann können sie entweder brieflich abstimmen oder selbst zur Generalversammlung gehen.
Bei anderen Schweizer Banken und Online-Brokern müssen Sie selbst aktiv werden, um Stimmrechte zu erhalten. Bei manchen Schweizer Banken kostet dies leider sogar zusätzlich.
Ein weiteres Problem in der Schweiz: Trading-Gebühren von Schweizer Banken sind so teuer, dass sich das nur bei grösseren Anlagen lohnt.
Hier gibt es grosse Kosten-Unterschiede. Es lohnt sich deshalb sehr, die Preise der unterschiedlichen Banken zu vergleichen.
Zum Schluss noch kurz zu Ihrer Firma invested.ch: Was ist Ihr Service? Wie verdienen Sie Geld?
Alle sollen in Aktien investieren. Hier helfen wir mit Informationen und Ausbildung. Dabei raten wir immer zu grosser Vorsicht. invested.ch bietet neben Informationen die Möglichkeit, via Partner-Plattformen Aktien zu kaufen. Unser Angebot ist transparent, einfach und preiswert, es gibt keine versteckten Gebühren. Wir verdienen unser Geld allein mit einem Abo-Modell und erhalten keine Kickbacks.
Weitere Informationen:
invested.ch
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