Moneyland-Redaktion: Sie haben als einer der ersten Schweizer Vermögensverwalter ganz auf ETF gesetzt. Wie sind Sie dazu gekommen?
Alex Hinder: Als ehemaliger Verantwortlicher für das Fondsmanagement einer grossen Schweizer Privatbank konnte ich die Schwierigkeiten der aktiven Manager, ihre Benchmarks zu übertreffen, aus nächster Nähe mitverfolgen. Gleichzeitig verwalteten wir auch indexierte Mandate für grosse institutionelle Kunden und sahen deren Vorteile.
Mit der Lancierung von ETF ist es möglich geworden, auch die Anlagestrategie von privaten Anlegern mit kostengünstigen Indexfonds umzusetzen. Zudem war es immer mein Wunsch, einmal eine Vermögensverwaltungsfirma nach eigenen Vorstellungen und frei von Interessenkonflikten aufzubauen.
Wo liegen die Hauptvorteile von ETF gegenüber aktiv gemanagten Fonds?
Es wurde in zahlreichen Untersuchungen immer wieder bewiesen, dass langfristig nur eine kleine Zahl von aktiv verwalteten Anlagefonds den Index schlägt. Leider ist es praktisch unmöglich, diese «Winner»-Fonds im Voraus zu identifizieren.
Das Grundproblem der aktiven Fonds liegt in den hohen Kosten: Bei einer Gebührenbelastung von bis zu 2% pro Jahr kann auch der beste Portfoliomanager nicht mehr zaubern und den Index kaum mehr schlagen.
Für mich war es deshalb die logische Konsequenz, auf kostengünstige ETF zu setzen. Diese bilden eine Anlageklasse eins zu eins ab. Sie weisen ausserdem nicht nur tiefe Verwaltungsgebühren auf, sondern sind auch völlig transparent, liquid und breit diversifiziert.
Übrigens hat selbst Warren Buffett im Falle seines Ablebens seinem Treuhänder empfohlen, 90% des Vermögens in ETF zu investieren.
Eine Schätzung von ETF Ambassadors geht davon aus, dass trotz dieser Vorteile nur rund 7% der Schweizer Sparer in ETF investiert sind, aber immerhin 14% klassische Anlagefonds im Portfolio haben. Weshalb sind aktiv gemanagte Anlagefonds immer noch so dominant?
Viele Anleger wenden sich mangels Finanzwissen bei Anlagefragen nach wie vor an ihre Bankberater. Diese haben wenig Interesse, ihren Kunden kostengünstige Indexprodukte zu verkaufen, sondern empfehlen lieber aktive Anlagefonds mit einer hohen Marge.
Gemäss der Studie weiss ausserdem fast die Hälfte der Befragten nicht, was ein ETF ist. Anlagefonds blicken auf eine längere Geschichte zurück und sind bei den Anlegern somit auch bekannter. In den USA, wo sich viele Sparer selber um ihre Vermögensanlagen kümmern und Bankberater nicht eine so dominierende Rolle spielen, sind Indexfonds extrem populär.
Auch passive Anlagestrategien haben eine «aktive» Komponente, insofern als dass im Rahmen der Asset Allocation die Wahl der entsprechenden Märkte, Sektoren und ETF-Produkte aktiv getroffen werden muss. Gibt es Kriterien für eine «optimale» Asset Allocation?
Unsere Asset Allocation basiert primär auf den Gewichtungen der einzelnen Märkte im Weltmarktportfolio und ist modular aufgebaut. Mit 44 Modulen berücksichtigen wir alle wichtigen Märkte in den Anlageklassen Obligationen, Aktien, Immobilien, Rohstoffe und Währungen.
Sehr wichtig ist, dass eine breite Diversifikation über verschiedene Anlageklassen gewährleistet ist. Die individuelle Asset Allocation wird aus den Modulen gebildet und ist abhängig vom persönlichen Risikoprofil des Anlegers. Je höher die Risikotoleranz und je grösser die Risikofähigkeit, desto grösser darf der Anteil risikoreicher Anlageklassen sein.
Welche Asset Allocation würden Sie zum jetzigen Zeitpunkt vorschlagen?
Wir sind zum jetzigen Zeitpunkt gegenüber der langfristigen strategischen Asset Allocation in Aktien und Obligationen untergewichtet. Wir favorisieren dabei die Aktienmärkte in Europa, während wir den US-Aktienmarkt aufgrund seiner hohen Bewertung untergewichtet haben.
Im Obligationenbereich setzen wir auf weniger zinssensitive Alternativen wie Senior Loans, versicherungsbasierte Anleihen und CoCo-Obligationen. Staatsobligationen halten wir keine, da uns Bargeld bei den historisch tiefen Zinsen attraktiver erscheint. Aus Rohstoffanlagen sind wir schon lange ausgestiegen.
Die Geldanlage zu vernünftigen Risiken ist im gegenwärtigen Umfeld eine anspruchsvolle Aufgabe. Man sollte nicht der Versuchung erliegen, infolge der tiefen Zinsen sein Engagement in Risikopapieren zu stark zu erhöhen.
Welche Kriterien sind bei der Wahl des richtigen ETF zu beachten?
Am Anfang sollte immer eine auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmte langfristige Anlagestrategie stehen. Diese bestimmt zu 90% die langfristige Performance des Portfolios. In einem weiteren Schritt werden diejenigen Indizes gewählt, welche die jeweiligen Anlageklassen am repräsentativsten abbilden.
Erst dann sollte man sich auf die Suche nach einem geeigneten ETF machen. Falls man sich nicht regelmässig intensiv mit ETF auseinandersetzt, ist es schwierig, aus dem immensen Angebot die geeigneten Fonds herauszufiltern.
Folgende Aspekte sollten bei der ETF-Selektion berücksichtigt werden: Kosten, steuerliche Behandlung, Replikationsart, Fondsvolumen, Geld-Brief-Spanne sowie die historische Performance. In unserem Research haben wir ein Monitoring aufgebaut, mit dem wir für jede Anlageklasse die aus unserer Sicht relevanten ETF verfolgen und täglich Bewertungen durchführen können.
Was darf ein ETF maximal kosten?
Die Kosten eines ETF hängen stark davon ab, in welche Anlageklasse man investiert. Staatsobligationen-ETF gehören mit einer durchschnittlichen jährlichen Gebühr von rund 0.15% zu den günstigsten an der Schweizer Börse gehandelten Produkten, während ETF auf Schwellenländer-Aktienindizes mit einer durchschnittlichen Verwaltungsgebühr von 0.5 bis 0.6% am teuersten sind.
Je komplizierter ein abzubildender Index ist, desto teurer sind auch die entsprechenden Produkte. Bei der ETF-Auswahl stehen die ausgewiesenen Kosten für uns nicht im Vordergrund, da in diesen nicht sämtliche Kosten enthalten sind. Wichtiger ist für uns der Vergleich der historischen Gesamtperformance der verschiedenen ETF. Dieser zeigt, dass nicht immer die ETF mit der tiefsten Verwaltungsgebühr auch die besten sind.
Gibt es ETF-Anbieter, die man besonders empfehlen kann oder aber eher meiden sollte?
Wir favorisieren die grossen Anbieter wie iShares, UBS, db X-trackers, Lyxor, SPDR Exchange Traded Funds und Vanguard. Diese Anbieter verfügen über eine breite Produktpalette und volumenstarke Fonds. Diese ETF haben mehrere Market Maker, die für enge Geld-Brief-Spannen sorgen. Ausserdem sind die Internetplattformen der grossen Anbieter professionell und wir profitieren zusätzlich von einem ausgezeichneten Support.
ETF kann man auch bei einem Online-Broker selbst kaufen. Worin besteht der Mehrwert eines ETF-Vermögensverwalters?
Vielen Anlegern fehlt das Wissen, für sich eine passende langfristige Anlagestrategie zu definieren und dann regelmässig zu überprüfen. Wer ein Haus bauen will, sucht sich einen Architekten. Beim langfristigen Vermögensaufbau macht es ebenfalls Sinn, einem Spezialisten zu vertrauen.
So definieren wir zusammen mit unseren Kunden deren langfristige Anlagestrategie und setzen diese mit kostengünstigen Indexprodukten um. An der Schweizer Börse werden mittlerweile über 1‘000 ETF von zwanzig verschiedenen Anbietern gehandelt. Für Privatanleger ist es sehr schwierig, aus dieser immensen Auswahl die passenden ETF zu filtern und diese richtig zu kombinieren.
Das Portfolio muss ausserdem nach dem Kauf überwacht und die ETF-Zusammensetzung periodisch an die langfristige Strategie angeglichen werden. Als Vermögensverwalter mit Indexexpertise informieren wir uns laufend über die neusten Trends im ETF-Bereich und befassen uns intensiv mit den Finanzmärkten.
Unser umfangreiches Research unterstützt uns bei der richtigen Einschätzung der verschiedenen Markttrends und der geschickten Auswahl von Anlageklassen und ETF. Unsere Kunden profitieren damit von einer aktiven Vermögensverwaltung durch ausgewiesene Experten.
Online-Vermögensverwaltung via ETF ist ein relativer neuer Fintech-Trend. Was halten Sie von Robo Advisors?
Für die Anlage von kleineren Vermögen können Robo-Advisors eine kostengünstige Alternative sein. Viele Privatkunden ziehen aber meiner Meinung nach die persönliche Betreuung für ihr Vermögen durch einen Finanzexperten der «Maschine» vor. Die persönliche Betreuung ermöglicht die individuelle Strategieformulierung, Verwaltung und Überwachung.
Maschinen sind effizient und kostengünstig bei hoch-automatisierten Prozessen. Dies ist bei der Betreuung privater Gelder nur bedingt gegeben. Die Investmentregeln, die Robo-Advisors zugrundeliegen, sind in der Regel öffentlich nicht zugänglich. Ein Problem dieser Regeln ist aber, dass sie in der Vergangenheit gut funktioniert hätten, die Aussagekraft für die Zukunft hingegen wissenschaftlich umstritten ist. Vermögen werden mit harter Arbeit gebildet; deshalb ist es verständlich, wenn Anleger die Gelder nicht einem anonymen Prozess anvertrauen möchten.
Wo sehen Sie den ETF-Markt in der Schweiz in 5 Jahren?
Die Akzeptanz der ETF wird weiter zunehmen. Die materiellen Vorteile gegenüber anderen Anlageinstrumenten sind schlicht zu gross, um diese ignorieren zu können. Wenn wir uns die Entwicklung in den USA vor Augen halten, sind wir in Europa und besonders in der Schweiz noch nicht sehr weit.
Das Schweizer Modell ist noch immer das Hausbank-Modell. Der Einfluss des Bankberaters ist nach wie vor hoch. Bei den professionellen, institutionellen Investoren haben ETF heute schon einen hohen Stellenwert, der noch weiter wachsen dürfte.
Moneyland-Redaktion, 20. August 2015
Weiterführende Informationen:
Unabhängige Vermögensverwalter
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