Diesen Winter gab es in der Schweiz keine Grippewelle. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) meldet für die Grippesaison 2020/2021 weniger als 10 Influenza-Fälle pro Woche. Selbst im Januar und Februar gab es teils Wochen ohne einen einzigen positiven Influenza-Nachweis. Zum Vergleich: Anfang 2020 meldete das BAG in der Schweiz teils über 1000 Influenza-Fälle pro Woche.
Zudem hat sich in der Vergangenheit die Zahl der Besuche in Arztpraxen und Hausbesuche im Zusammenhang mit Grippeverdacht Anfang Jahr jeweils mehr als vervierfacht. Dieses Jahr ist sie hingegen gar nicht angestiegen. Auch viele Schweizer Krankentaggeldversicherer melden wesentlich weniger krankheitsbedingte Absenzen seit Frühling 2020.
Kosten von 100 Millionen Franken
Der Bund geht davon aus, dass die Hygiene-Massnahmen und Social Distancing im Zusammenhang mit dem Coronavirus zur Verhinderung der Influenza-Grippewelle beigetragen haben. Bei der Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte heisst es zudem auf Anfrage von moneyland.ch, dass die Zahl der Arztbesuche gesunken sei, weil Patientinnen und Patienten aus Angst vor Ansteckungsgefahr darauf verzichteten.
Die saisonale Grippe verursacht laut BAG in der Schweiz jeden Winter direkte medizinische Kosten von geschätzt 100 Millionen Franken. Mit der Verhinderung der Grippe könnte die Schweiz also bei den Gesundheitskosten sparen.
Profitieren Versicherte?
Kurzfristig ist es unwahrscheinlich, dass dank Covid-19 die Krankenkassenprämien sinken. Zwar konnte die saisonale Grippe eingedämmt werden, dafür rechnen die Versicherer für 2021 anderweitig mit Zusatzkosten. Die Branchenorganisation Santésuisse erwartet für 2021 insgesamt steigende Gesundheitskosten.
Bei Sympany heisst es auf Anfrage von moneyland.ch, dass psychische Krankheiten zugenommen hätten. Auch im Zusammenhang mit Long Covid rechne man mit hohen Heilungskosten. Die Krankenkasse KPT fügt hinzu, dass es wegen während der Pandemie verschobenen Behandlungen einen Nachholeffekt geben könnte.
Hoffnung für Prämienzahler
Die Erfahrung in der Pandemie könnte der Schweiz aber in Zukunft helfen, Kosten zu senken. «Wir sind überzeugt, dass sich der Umgang mit und die Verhütung von übertragbaren Infektionskrankheiten in der Schweiz zukünftig ändern wird. Das Tragen von Masken, Abstand halten und Impfungen können auch bei der Grippe Infektionen und Krankheitsfälle verhindern», teilt die Krankenkasse Concordia gegenüber moneyland.ch mit.
Die Frage ist, ob die Bevölkerung bereit sein wird, die Hygiene- und Verhaltensregeln auch nach der Pandemie freiwillig anzuwenden. Das lasse sich nicht voraussagen, schreibt die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren auf Anfrage von moneyland.ch.
Geringer Prämieneffekt
Selbst wenn die Grippewelle auch nach der Pandemie verhindert werden kann, dürfte der Effekt auf die Prämien aber eher klein sein. 100 Millionen Franken pro Winter sind im Verhältnis zu den gesamten jährlichen Gesundheitskosten von über 80 Milliarden Franken nicht ausschlaggebend.
Wenn die Kosten weiterhin um mehrere Milliarden Franken pro Jahr steigen, kann die verhinderte Grippewelle zwar helfen, dieses Wachstum zu reduzieren. Mit sinkenden Prämien kann die Schweiz aber wohl kaum rechnen.
Zudem ist zu bedenken, dass die Prämienzahlenden solche Effekte jeweils erst einige Jahre später spüren. Die Entwicklung der Prämien hinkte in der Vergangenheit rund zwei Jahre hinter Veränderungen bei den Gesundheitskosten hinterher. Um die Prämien für das nächste Jahr zu berechnen, beachten die Krankenkassen jeweils die Kosten des Vorjahres, die Kostenentwicklung des aktuellen Jahres und die erwartete Entwicklung für das folgende Jahr.
Weitere Informationen:
Krankenkassenprämien im interaktiven Vergleich