Künftig müssen ausländische Streaming-Anbieter mindestens 4 Prozent ihrer in der Schweiz erzielten Einnahmen in die Schweizer Filmindustrie investieren. Der Nationalrat hat am Donnerstag eine entsprechende Anpassung des Filmgesetzes gutgeheissen. Was diese sogenannte «Lex Netflix» bedeutet und wie sie sich auf Preise von Streaming-Abos auswirken könnte, beantwortet der Online-Vergleichsdienst moneyland.ch.
Um wie viel Geld geht es?
Das angepasste Filmgesetz sieht vor, dass mindestens 4 Prozent der hiesigen Einnahmen jedes Anbieters in die Schweizer Filmförderung fliessen. Insgesamt soll das unabhängige Schweizer Filmschaffen so jährlich rund 30 Millionen Franken zusätzliche Förderungsgelder erhalten, die etwa Schweizer Filmprojekten und Koproduktionen zugute kommen, wie es in einer Meldung des Parlaments heisst.
4 Prozent der Schweizer Netflix-Einnahmen dürfte laut einer Schätzung von Ralf Beyeler, Telekom-Experte bei moneyland.ch, rund 10 Millionen Franken ausmachen. Wie viel Umsatz der Branchenprimus in der Schweiz genau macht, ist allerdings nicht öffentlich bekannt.
Steigen wegen des Gesetzes die Preise?
Laut Gegnern des aktuellen Gesetzesentwurfs ist das denkbar. Mitte-Nationalrat Philipp Kutter etwa äusserte im Rahmen der Debatte die Befürchtung, dass 4 Prozent zu viel ist und den Standort Schweiz verteuern wird.
Klar ist, dass allfällige höhere Kosten, die Anbietern wie Netflix und Amazon in der Schweiz entstehen, letztlich auf die Kundinnen und Kunden abgewälzt werden. Die Streaming-Anbieter werden alternativ lediglich versuchen, Kosten zu senken.
Ob es wirklich zum Preisanstieg kommen wird und wie hoch der sein könnte, ist aber noch unklar. Auf Anfrage von moneyland.ch heisst es bei Amazon, es gebe derzeit keine Änderungen anzukündigen. Die anderen Anbieter wollten gar nicht Stellung nehmen.
Netflix hatte aber bereits im Sommer mit einem Brief ans Parlament gegen das Gesetz lobbyiert. Darin hiess es, man wäre gezwungen, das Geld der Kunden auszugeben, ohne einen vergleichbaren Gegenwert dafür bieten zu können. Der Anbieter suggerierte also, die Produktion in der Schweiz koste mehr, als sie den Kunden wert ist. Für Telekom-Experte Beyeler ist das ein klarer Hinweis darauf, dass Netflix mit Mehrkosten rechnet. Beyeler glaubt, dass Netflix für sich keinen grossen Nutzen darin sieht, Schweizer Filme mitfinanzieren zu müssen.
«Die Preise für Streaming-Dienste sind für Schweizer Kunden in der letzten Zeit bereits gestiegen», sagt Beyeler. Er geht davon aus, dass die Angebote auch in Zukunft teurer werden. «Einerseits sind Schweizer kaufkräftig. Die meisten Schweizer Konsumenten akzeptieren eine Preiserhöhung und kündigen nur selten aufgrund der gestiegenen Preise. Die Streaming-Dienste versuchen damit, ihre Einnahmen zu steigern», erklärt Beyeler. Die Lex Netflix selbst werde aber wohl nur einen kleinen Einfluss auf die Preisentwicklung haben, vermutet der Experte.
Hoher Profit in der Schweiz
Für ausländische Streaming-Anbieter ist der Schweizer Markt lukrativ: Da die Kaufkraft hierzulande gross ist, verdienen Netflix & Co. überdurchschnittlich viel an hierzulande verkauften Abos. Dies ist aber nur der Fall, wenn die Anbieter nicht gleichzeitig hohe Ausgaben in der Schweiz haben. Darum haben die Firmen ein grosses Interesse daran, auch die in der Schweiz gezeigten Filme und Serien im Ausland zu produzieren. Dass sie nun vermehrt Schweizer Produktionen unterstützen sollen, kommt ihnen entsprechend ungelegen.
Kommen jetzt mehr Schweizer Filme bei den Streaming-Anbietern?
Nicht unbedingt. Die Anbieter müssen das Geld nicht zwingend in Schweizer Eigenproduktionen stecken, sondern sie können auch eine Ersatzabgabe leisten. In diesem Fall ist es unwahrscheinlich, dass das Angebot des Streaming-Dienstes schweizerischer wird.
Zwar verlangt das neue Filmgesetz auch, dass 30 Prozent des Angebots aus europäischen Filmen besteht. Bei Amazon hiess es dazu aber bereits im Sommer, dass diese Quote sowieso den Vorgaben der EU entspreche. Der Streaming-Anbieter sei bereits dabei, die Quote umzusetzen. Entsprechend dürfte das Schweizer Filmgesetz diesbezüglich keinen spürbaren Einfluss mehr auf das Angebot haben.
Wie verändert sich das Angebot sonst noch?
Es ist denkbar, dass Streaming-Dienste angesichts höherer Kosten versuchen, beim Angebot zu sparen. Das heisst: Sie lizenzieren weniger Content für die Schweiz, sodass die Auswahl an Filmen und Serien schrumpft. Bei den Originalproduktionen der Anbieter dürfte sich hingegen nichts ändern, da sie keine Lizenzen bezahlen müssen, um die Filme und Serien in der Schweiz zu streamen.
Sowohl Netflix als auch Amazon hatten im Sommer gewarnt, dass eine überhöhte Investitionspflicht den Wettbewerb verzerren könnte. Amazon sagte gegenüber moneyland.ch ausdrücklich, dass das die Angebotsvielfalt auf dem Schweizer Streaming-Markt reduzieren könnte.
Inwiefern sich das effektiv auf das Angebot einzelner Streaming-Dienste auswirken wird, muss sich aber erst noch zeigen. Bisher haben die Anbieter auf Anfrage von moneyland.ch noch keine konkreten Ankündigungen gemacht. Falls es zu einer Kürzung des Angebots kommen sollte, wäre zudem fraglich, ob die Anbieter das ausdrücklich mit dem neuen Filmgesetz begründen würden.
Ist das Filmgesetz definitiv?
Laut Parlament geht der Entwurf noch einmal zur Bereinigung in den Ständerat. Das Gesetz wird beschlossen, sofern kein Referendum zustande kommt. Einige Parteien haben bereits vor dem Entscheid angekündigt, dass sie ein Referendum ergreifen wollen. Die Unterschriftensammlung hat laut der Meldung aus dem Parlament bereits begonnen.
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