Herr Janszky, von Ihnen stammt die Aussage: «In Zukunft wird der Kunde seinem Handy mehr vertrauen als seinem Bankberater». Wie kommen Sie zu diesem Schluss?
Der zentrale technologische Trend der kommenden Jahre ist die «smarte Prognostik». Das bedeutet vereinfacht gesagt: Geräte unterhalten sich untereinander, tauschen Daten aus, analysieren als elektronische Assistenten Situationen und erkennen dadurch, welche Information ihre Benutzer wollen könnten. Wir werden Schritt für Schritt erkennen, dass die Antworten dieser Geräte nützlicher sein werden als die Antworten der bisherigen menschlichen Assistenten oder Berater.
Bereits antwortet Ihr Navigationssystem intelligenter als Ihr Beifahrer, der Schachcomputer besser als Ihr Sportskamerad und die Hotel-Handy-App klüger als der Berater im Reisebüro. Auf Dauer werden wir uns an unsere elektronischen Assistenten gewöhnen und ihnen mehr und mehr vertrauen. Es geht nicht mehr lange, bis diese Logik auch im Bereich der Banken und Vermögensverwaltungen Einzug erhält.
Auch für Google-Manager Jens Quadbeck ist die Beratung eine der komplexesten Finanzdienstleistungen. Dass standardisierte Produkte wie Sparkonti und Kreditkarten in Zukunft vor allem online vertrieben werden, leuchtet ein. Um komplexe Beratungsdienstleistungen online abbilden zu können, müssen Computer allerdings in einem hohen Mass künstlich intelligent werden. Davon sind wir noch weit entfernt.
Aus meiner Sicht liegt dieser Schritt direkt vor uns. Schauen Sie sich bereits existierende elektronische Assistenten wie mint.com an. Hier wird das Finanzverhalten jedes Nutzers individuell und adaptiv analysiert; anschliessend werden darauf aufbauend Produktangebote gemacht. Nichts anderes macht die angeblich komplexe Beratung auch: Sie versucht, die Bedürfnisse und Verhaltensweisen des Kunden möglichst umfassend zu analysieren und gibt auf dieser Basis Empfehlungen oder macht Produktangebote. Dies kann mittelfristig ein Handy, das den Kunden permanent in jeder seiner Entscheidungen analysiert und zur Hilfe steht, viel besser als ein Berater aus Fleisch und Blut. Der Vorteil des Handys gegenüber dem Berater entsteht nicht, weil das Handy intelligenter wäre. Er entsteht, weil das Handy seinen Besitzer besser kennt als der Berater und deshalb die Handy-Empfehlungen intelligenter sind.
Auch Online-Finanzportale wie Yavalu in Deutschland möchten den Berater durch automatisch generierte Anlagestrategien ersetzen. Aber auch automatisch generierte Anlagelösungen basieren auf einer spezifisch menschlichen Anlagetheorie.
Ja natürlich. Deshalb werden auch nicht jene Menschen ersetzt, welche die Anlagetheorien erdenken oder die entsprechenden Algorithmen programmieren. Ersetzt werden stattdessen jene Berater, die diese Anlagetheorien an die grosse Masse der Kunden verkaufen müssen. Denn machen wir uns nichts vor: Die grosse Mehrheit der Bank- und Vermögensberater erdenken keine Anlagetheorie. Sie versuchen nur eine Anlagetheorie dadurch zu verkaufen, dass sie vorgeben, die Anlagestrategie für jeden Kunden anzupassen. Die meisten Kunden werden in Zukunft feststellen, dass sie ihr Berater weniger gut kennt als ihr Handy. Solche Berater werden also mittelfristig nicht mehr gebraucht. Ausgenommen von dieser Entwicklung wird bloss das Luxussegment für besonders Vermögende sein. In diesem Fall bezahlt der Kunde weiterhin einen menschlichen Experten für eine massgeschneiderte individuelle Anlagetheorie.
Online-basierte Vermögensverwaltungen setzen in aller Regel auf passive Finanzinstrumente wie ETF. Die Mehrheit der berühmten (und erfolgreichen) Investoren sind allerdings aktive Anleger, die nicht passiv auf einen Index setzen.
Da handeln die online-basierten Vermögensverwaltungen genauso wie die Mehrheit der Vermögensverwaltungen im Massengeschäft auch. Diese Konformität und das Streben nach Risikolosigkeit der Masse sind ja erst die Grundlage dafür, dass nonkonforme aktive Anleger die Regeln der Masse brechen und berühmt werden können. Tatsächlich werden die algorithmengesteuerten elektronischen Assistenten zuallererst den programmierten Regeln folgen. Im Massengeschäft wird das bereits ausreichen, um die Bankberater zu ersetzen.
Im Premiumsegment wird es aber weiterhin die berühmten und erfolgreichen Investoren aus Fleisch und Blut geben. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht nur mit ihren elektronischen Assistenten souverän und kompetent umgehen, sondern auch weiterhin selbst Entscheidungen treffen.
Die Vermögensverwaltung ist in der Schweiz ein bedeutender Wirtschaftszweig mit langer Tradition. Was raten Sie den hiesigen Vermögensverwaltern? Eine Zweitausbildung als Informatiker?
So komisch das klingen mag: Unbedingt. Holen Sie sich Informatikkompetenz ins Unternehmen und seien Sie derjenige Vermögensverwalter, der seinen Kunden den elektronischen Assistenten als Erster anbietet. Das strategisch wichtige Nadelöhr in Ihrem Geschäft wird das Handydisplay Ihrer Kunden werden. Wenn Sie nicht als Erster auf dem Handydisplay sind, dann haben Sie es schwer. Allgemein gesprochen: Jedes Unternehmen, das seine Wertschöpfung durch die Analyse und das neue Zusammenstellen von Daten generiert, wird zum grossen Teil zu einem Software-Unternehmen werden.
So neu ist das aber gar nicht: Schauen Sie sich beispielsweise an, wie sich die Technologie, mit der die Vermögensverwalter mit den Börsen dieser Welt kommunizieren, in den vergangenen 20 Jahren gewandelt hat. Hier warten wir schon lange nicht mehr auf die Zeitung, lesen die Kurstabellen und platzieren dann per Telefon die Aufträge. Durch die Einführung der Smartphones wird die Software-Logik nun einfach bis zum Endkunden ausgedehnt.
Dezember 2011
Weiterführende Informationen:
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