Immer häufiger kommt es vor, dass uns beim Besuch einer Website ein kleines Chat-Pop-up entgegenlacht – und uns einlädt, unser Anliegen dort zu teilen, statt selber mühsam auf der Website zu stöbern. Haben Sie sich auch schon gefragt, was diese Chat-Funktionen taugen? Ich bin der Sache auf die Spur gegangen und habe mich bei mehreren Banken und Vorsorge-Apps in den Chat gestürzt.
Zuerst müssen wir dabei natürlich unsere Erwartungen realistisch halten: Sicherheitsrelevante Dinge wie mein vergessenes Passwort oder meinen Kontostand werde ich im Chat sicher nicht erfahren. Der Sinn dieser Funktion ist vielmehr, Kundinnen und Kunden über Dienstleistungen zu informieren und allenfalls eine persönliche Beratung zu organisieren.
Für meinen Test habe ich darum einfache Ziele gesteckt:
- Von Banken wollte ich wissen, wie viel Zins ich erhalten kann und ob Twint verfügbar ist.
- Von Anbietern von Vorsorgelösungen wollte ich wissen, was die Säule 3a überhaupt bringen soll und wie viel Geld ich in die Säule 3a einzahlen kann.
- Bei sämtlichen Anbietern habe ich jeweils versucht, die Eröffnung eines Privat- oder 3a-Kontos in die Wege zu leiten.
- Falls möglich, habe ich zusätzlich noch auf Mundart geschrieben, um zu sehen, ob mein Anliegen immer noch verstanden wird.
Ich wäre sehr zuversichtlich, dass Schweizer Banken die obigen Anliegen bewältigen könnten, wenn ich damit in die Filiale käme. Vielleicht gäbe es hier und da Angestellte, denen Schweizerdeutsch nicht so liegt – aber wahrscheinlich könnten wir uns selbst dann verständigen. Aber der Besuch in der Filiale ist natürlich wesentlich mühsamer als der Besuch einer Website. Und je nach Service gibt es gar keine Filialen, die ich besuchen könnte.
Chatten geht nicht immer
Bevor wir uns die einzelnen Anbieter im Detail anschauen, müssen wir auf zwei fundamentale Unterschiede zwischen den einzelnen Chat-Funktionen eingehen. Zunächst einmal kann man nur bei der Hälfte von ihnen wirklich chatten, das heisst, Text eingeben. Bei den anderen kann ich nur zwischen einer beschränkten Anzahl Optionen auswählen (Bild).
Bild: Auswahloptionen statt Chat
Das ist wahrscheinlich viel einfacher zu programmieren, aber aus Kundensicht meistens mühsamer als eine Textbox, in der ich meine eigene Frage eingeben kann. Der Grund: Bei komplexen Dienstleistungen muss man sich erstmal durch ein Menü klicken, bis man überhaupt zum Thema kommt, zu dem man Auskunft möchte. Wenn ich eine konkrete Frage habe, sind vage Optionen wie «Erzähl mir mehr über 3a» nicht besonders befriedigend. Viele dieser Informationen würde ich wahrscheinlich schneller finden, indem ich die Website über Google durchsuche.
Mensch oder Chatbot?
Der zweite grosse Unterschied zwischen den verschiedenen Chat-Funktionen ist das Gegenüber: In den meisten Fällen handelt es sich um einen sogenannten Chatbot, der automatische Antworten ausspuckt. Aber bei manchen Anbietern, namentlich Swissquote (Desktop), Valiant und Viac spricht man tatsächlich noch mit echten Menschen.
Der Vorteil von menschlichen Gesprächspartnern ist, dass sie meine Anliegen in der Regel besser verstanden und auch präziser zu meiner konkreten Frage Auskunft geben konnten. Allerdings sind teilweise die Wartezeiten auf Antworten merklich länger als bei einem Bot.
Test der Chat-Funktionen von Banken und Vorsorge-Apps
Hier sehen Sie eine kurze Einschätzung zu den getesteten Chat-Funktionen, die besten zuerst:
Format: Textbox
Gesprächspartner: Mensch
Als ich bei Viac meine Frage eingab, gab mir einer der Gründer höchstpersönlich Auskunft. Sämtliche Fragen wurden kompetent und schnell beantwortet (inklusive Links zu weiterführenden Informationen). Auch mein grässlich geschriebenes Schweizerdeutsch war kein Problem.
An Viacs Chat-Funktion habe ich rein gar nichts auszusetzen. Der Kanal wird sehr gut betreut und das muss auch so sein – denn das Unternehmen sagt gegenüber moneyland.ch, dass es sich um das am meisten benutzte Kommunikationsinstrument handelt. Der Chat richte sich zudem nicht nur an bestehende Kunden sowie potenzielle Neukunden, sondern man unterstütze sogar ab und zu Kunden von Drittanbietern. Es sei allerdings nicht immer ein Viac-Gründer, der den Chat beantwortet – dann hatte ich wohl einfach Glück.
- Swissquote (Desktop): «Sehr Gut»
Format: Textbox
Gesprächspartner: Mensch
Bei Swissquote wurde ich auf dem Desktop standardmässig mit einem menschlichen Gesprächspartner verbunden (es gibt allerdings auch einen Chatbot, siehe weiter unten). Die Antworten waren sehr präzise und Schweizerdeutsch war kein Problem. Allerdings dauerte es teils etwas länger, bis die Antworten kamen.
Format: Textbox
Gesprächspartner: Chatbot
Der Chatbot der Postfinance ist den anderen Bots in diesem Blogeintrag weit überlegen. Ich gab meine Fragen in der Textbox ein und der Bot erkannte zuverlässig, was ich wissen wollte. Selbst Schweizerdeutsch war keine Hürde für das System.
Nur als ich dem Bot sagte, dass ich gerne «ein 3a-Konto eröffnen» möchte, gab er mir Optionen für jede andere Art von Konto, nur nicht das, was ich suchte. Nach etwas Hin-und-Her klappte es dann aber doch («Vorsorgekonto» scheint der Bot besser zu verstehen).
Format: Auswahloptionen
Gesprächspartner: Chatbot
Bei Frankly musste ich zwar mit den Frage-Optionen kämpfen, statt meine Frage einfach einzugeben. Immerhin war einigermassen klar, welche Option ich wählen musste, um zur gewünschten Information zu kommen. Etwas merkwürdig fand ich die Option «Ich habe Lust auf ein Rätsel» – dahinter steckt dann clever verpackte Werbung für freiwillige Altersvorsorge (aber das darf man einer Vorsorge-App eigentlich nicht verübeln).
Als ich am Schluss angab, dass ich gerne ein Frankly-Konto eröffnen möchte, bot mir der Chatbot auch gleich noch einen passenden Rabattgutschein an. Das ist zwar nicht so speziell, wenn man bedenkt, dass Neukunden den gleichen Rabatt auch mit einem anderen Code erhalten können, der mindestens noch bis Ende Jahr auf der Website angezeigt wird (und übrigens auch mit unserem eigenen Code «FRANKLY999»). Trotzdem trägt es natürlich zu einem positiven Chat-Erlebnis bei, wenn man am Schluss noch ein kleines Geschenk erhält.
Format: Textbox
Gesprächspartner: Mensch
Bei Valiant fielen insbesondere die langen Wartezeiten auf. Zwischen Antworten konnten schnell mal fünf Minuten verstreichen. Vermutlich war das Support-Zentrum stark ausgelastet und der Kundendienst musste mehrere Anfragen gleichzeitig bearbeiten. Das könnte auch der Grund für die kleinen sprachlichen Fehler sein. Die Antworten an sich waren sehr gut – wenn sie denn endlich mal kamen. Auf Anfrage von moneyland.ch heisst es, Valiant erhalte über die Chat-Funktion rund 50 Anfragen pro Woche – im Vergleich zu anderen Banken ist das verhältnismässig wenig: Bei Frankly beispielsweise gibt es laut der Zürcher Kantonalbank im Schnitt fast viermal so viele Anfragen pro Woche, bei der Postfinance sind es sogar über 10’000.
Meine Frage auf Schweizerdeutsch blieb unbeantwortet. Als ich das Fenster nach zehn Minuten schloss und einen zweiten Chat startete, um meine Frage erneut zu stellen, wurde der Chat seitens Valiant kommentarlos beendet. Ich weiss nicht, ob die Person im Kundendienst kein Schweizerdeutsch konnte oder ob man nur Kundinnen und Kunden will, die Hochdeutsch bevorzugen.
Format: Auswahloptionen
Gesprächspartner: Chatbot
Der Chatbot von Yapeal konnte keine meiner Fragen beantworten. Die verfügbaren Informationen wirkten generell sehr beschränkt. Allerdings verwies mich der Bot jeweils auf ein Kontaktformular. Wenn ich die gewünschten Informationen nicht woanders finden könnte oder einfach zu faul dafür wäre, würde ich sie wahrscheinlich irgendwann per E-Mail erhalten (getestet haben wir das für diesen Blog-Eintrag allerdings nicht).
Der Bot erfüllt also seine grundlegende Aufgabe, Nutzerinnen und Nutzer zu informieren oder sie an die zuständige Stelle weiterzuleiten. Und vielleicht gehören Fragen zu Zinsen und Twint bei Yapeal einfach nicht zu den typischen Anliegen, sodass der Chatbot in einem anderen Szenario etwas besser abgeschnitten hätte.
- Swissquote (Chatbot): «Befriedigend»
Format: Textbox
Gesprächspartner: Chatbot
Auf dem Handy wurde ich bei Swissquote mit einem Chatbot verbunden. Der war von meinen Fragen oft überfordert. Schweizerdeutsch verstand er überhaupt nicht – und es war fast schon amüsant, zu sehen, mit welchen scheinbar zufällig gewählten Antworten der Bot auf meine Fragen reagierte. Der Chatbot befindet sich offenbar noch in einer «Pre-release»-Phase und das wird wohl der Grund sein, dass ich mit meinen Fragen nicht weit kam.
Wenn ich dem Bot aber sagte, dass ich lieber mit einem Menschen sprechen möchte, organisierte er mir einen entsprechenden Gesprächspartner. Während der Bürozeiten von Swissquote kann ich also jederzeit zum sehr guten menschlichen Support (siehe oben) wechseln.
Format: Auswahloptionen
Gesprächspartner: Chatbot
Dieser Chatbot fühlt sich eher wie ein Marketing-Tool als ein digitaler Kundendienst an: Nach einem Klick auf die ominöse Option «Entdecke Yuh» konnte ich mir verschiedene Produkte anzeigen lassen – eine Art digitaler Prospekt. Wer eine konkrete Frage zu Zinsen oder Zahlungsmitteln hat, muss sich durch zahlreiche Menüs klicken und findet am Schluss womöglich immer noch keine Antwort. Unter dem Punkt zum Thema Sparen wird beispielsweise wider Erwarten kein Zinssatz genannt.
Immerhin: Unter «Hilfe» befinden sich einige Optionen für Notfälle. Kundinnen und Kunden erhalten beispielsweise Anweisungen, wenn sie ihre Karte verloren haben oder sich plötzlich nicht mehr einloggen können. Diese Informationen sind mit wenigen Klicks verfügbar, was in Notfällen besonders praktisch ist. Allerdings haben wir keine Tests für solche Szenarien durchgeführt, weswegen dieser Chatbot weniger gut abschneidet als einige seiner Kollegen.
Gegenüber moneyland.ch heisst es auf Anfrage zudem, dass für das Jahr 2023 ein neuer Chatbot mit zusätzlichen Funktionen, inklusive Live Agent, geplant ist. Yuh hatte also womöglich Pech, dass wir uns die Chat-Funktion jetzt schon angeschaut haben.
Fazit: Was bringen diese Chat-Funktionen?
Mit den besten Chat-Funktionen der Schweizer Anbieter können Sie einfache Informationen einholen und Sie erhalten weiterführende Links (beispielsweise zur Kontoeröffnung). Zudem beweist die Postfinance, dass es für diese simplen Aufgaben wirklich nicht mehr unbedingt einen Menschen braucht. Aber abgesehen von demjenigen der Postfinance würde ich mich ehrlich gesagt lieber nicht mit Chatbots rumschlagen müssen. Die Menünavigation anhand von Auswahloptionen ist mühsam und zu wenig intuitiv.
Nicht ganz überraschend konnten alle Bots vor allem eines sehr gut: neue Kundinnen und Kunden zur Kontoeröffnung lotsen. Allerdings entsteht bei manchen Chatbots der Eindruck, dass sie fast gar nichts anderes können.
Die Chat-Funktion – egal ob mit oder ohne Mensch – ist weiterhin nicht viel mehr als ein interaktives FAQ. Für die Anlageberatung müssen Sie einen Termin abmachen und die Kontoeröffnung erfolgt ebenfalls nicht im Chat. Im besten Fall erhalten Sie die gesuchten Informationen etwas schneller oder Sie werden bei komplizierten Anliegen an Experten oder auf die Website verwiesen. Im schlimmsten Fall haben Sie einfach etwas Zeit verloren und müssen dann doch selber das Telefon zücken oder eine E-Mail schreiben.
Weitere Informationen:
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