Als ich vor zwei Jahren die Chat-Funktion von verschiedenen Schweizer Finanzdienstleistern getestet habe, fiel das Fazit eher ernüchternd aus: Sie ist in der Regel simpel, oft mühsam und je nach Situation sogar Zeitverschwendung.
Seither hat sich im Bereich der textbasierten Assistenten allerdings einiges getan: An jeder Ecke ist die Rede von künstlicher Intelligenz, Chatbots sind zu Entertainment-Produkten geworden, und Firmen wie OpenAI versprechen uns das Blaue vom Himmel, was die Fähigkeiten des Sprachmodells GPT angeht.
Im Angesicht dieses Hypes wollte ich wissen: Wie haben sich die doch noch eher bescheidenen Chat-Funktionen innerhalb von zwei Jahren entwickelt? Wurde GPT in die bestehenden Chatbots integriert? Und ist das wirklich die Revolution, die uns versprochen wurde?
Frankly und Yapeal ziehen den Stecker
Interessant: Zwei der im Jahr 2022 getesteten Bots wurden zum Zeitpunkt des diesjährigen Tests Mitte November gar nicht mehr angeboten. Bei Frankly und Yapeal war die Funktion nicht mehr zu finden. Auf Anfrage von moneyland.ch heisst es beim ZKB-Anbieter Frankly, man habe sich im Rahmen eines Website-Relaunchs dazu entschieden, den Bot abzuschalten. Wie rege das Angebot zuvor genutzt wurde, wollte man nicht verraten. Yapeal hat überhaupt nicht auf die Anfrage von moneyland.ch reagiert.
Allzu gross dürfte der Verlust dieser Chatbots für die Kundschaft nicht sein. Zwar erhielt Frankly im vergangenen Test die Bewertung «Gut» (Yapeal war «Befriedigend»), aber bei beiden Bots konnten Nutzerinnen und Nutzer lediglich von vorgefertigten Frageoptionen wählen. Das kann den Nutzen im individuellen Anwendungsbeispiel stark einschränken.
Nur ein Newcomer
Dafür hat neuerdings auch die Migros Bank einen Chatbot. Er basiert auf GPT-4 Turbo, wie es auf Anfrage von moneyland.ch heisst. Damit springt das Finanzinstitut des orangen Riesen auf den GPT-Trend auf.
Ich bin überrascht, dass die Zahl der Anbieter, die auf eine solche Chat-Funktion setzen, nicht grösser geworden ist. Man könnte meinen, dass der Hype um KI dazu beitragen würde, dass sich solche Angebote mehr und mehr etablieren. Doch für Finanzdienstleister scheint das derzeit eher noch kein Thema zu sein. Stattdessen geben manche Banken, etwa die UBS und die Basler Kantonalbank, ihren Kundinnen und Kunden auf der Website die Möglichkeit, einen Chat beziehungsweise Rückruf mit Beratern zu vereinbaren. Auch manche Chatbots ermöglichen es übrigens, Kontakt mit einem Menschen aufzunehmen – etwa, wenn es für die KI zu komplex wird.
Was bringt der Chat in spezifischen Situationen?
Der durchgeführte Test ist eine Stichprobe, um zu sehen, welchen Nutzen die Chat-Funktion hat, wenn es gilt, ganz spezifische Fragen zu beantworten. So habe ich beispielsweise gefragt, wie viel Zins ich maximal erhalten kann – oder wie viel Geld ich noch in die Säule 3a einzahlen kann. Zudem habe ich in einem separaten Test meine Fragen auf Schweizerdeutsch eingetippt, um zu sehen, wie die Bots damit umgehen.
Der Test wurde als Nichtkunde durchgeführt. Die daraus resultierende Bewertung basiert darauf, wie nützlich ich die Interaktion als potenzieller Neukunde finde – und natürlich darauf, ob die Informationen, die ich erhalte, auch wirklich stimmen.
Verschiedene Chat-Formate
Die Chat-Funktion der verschiedenen Anbieter lassen sich in drei Formate aufteilen:
- Chatbot: Nutzer können in einem Textfeld ihre Fragen eingeben und erhalten dann die Antwort von einem Bot.
- Auswahloptionen: Nutzer können aus einer vordefinierten Auswahl von Fragen wählen und erhalten dann die dazugehörige Antwort.
- Mensch: Nutzer können in einem Textfeld ihre Fragen eingeben und erhalten dann die Antwort von einem Menschen.
Test der Chat-Funktionen von Banken und Vorsorge-Apps
Hier sehen Sie eine kurze Einschätzung zu den getesteten Chat-Funktionen, die besten zuerst:
Format: Mensch
Die Chat-Funktion von Viac vereint das Beste und Schlechteste an einem menschlichen Gesprächspartner. Das Beste: Man wird verstanden. Menschen, im Gegensatz zu KI, verstehen die Nuancen meiner Fragen und können zudem auf sämtliche Anfragen eingehen, egal wie obskur. Viac schreibt auf Anfrage von moneyland.ch, dass der Chat die am häufigsten verwendete Kontaktmethode sei. Dass sich weiterhin Menschen um diese Anfragen kümmern, leuchtet somit erst recht ein.
Dass der Berater meine konkrete Situation versteht, zeigt ein Beispiel: Als ich sagte, dass ich ein Konto eröffnen möchte, wurde mir nicht nur gesagt, wie ich das tun kann, sondern ich wurde sofort noch darauf hingewiesen, dass ich unbedingt wissen muss, unter welchen Bedingungen ich das Geld beziehen kann. Da eine meiner Fragen war, was die Säule 3a überhaupt bringt, hat der menschliche Gesprächspartner wohl gemerkt, dass ich mit dem Thema nicht so bewandert bin, und wollte sicherstellen, dass ich keine falsche Entscheidung treffe. Das ist Service.
Das Schlechteste: Irren ist menschlich. Gleich bei der ersten Antwort passierte meinem Gesprächspartner ein Patzer. Ich wollte wissen, wie viel Zins ich erhalten kann. Die Antwort: «Auf dem Säule 3a Konto liegt der Zins aktuell bei 0.%» Doch bevor ich meiner Enttäuschung über den niedrigen Zinssatz Luft machen konnte, wurde der korrekte Zinssatz mit der fehlenden Nachkommastelle geliefert. Das ist zwar peinlich, aber nicht wirklich ein Problem.
Eher schlecht ist, dass im Laufe des Chats veraltete Informationen in Screenshots und Links gezeigt wurden. Konkret wurde der Maximalbetrag für Einzahlungen in die Säule 3a aus dem Jahr 2022 genannt. Zwar wurde in Klammern ausgewiesen, dass es sich um den Stand von 2022 handelt – aber es kann vom Kunden nicht erwartet werden, dass er das hinterfragt. Wenn mir jemand sagt, dass der Wert aus dem Jahr 2022 stammt, gehe ich davon aus, dass es noch keinen anderen gibt. Viac begründet den Fehler auf Anfrage damit, dass es sich beim verlinkten Artikel um einen Blog-Eintrag handelt, der nicht laufend aktualisiert werde. An anderen Stellen auf der Website seien die Angaben aktuell.
- Swissquote: «Befriedigend»
Format: Chatbot
Eines vorweg: Sie können im Swissquote-Chat auch einen menschlichen Gesprächspartner verlangen. Dies habe ich vor zwei Jahren separat getestet und kam zum Ergebnis, dass es eine der besten Chat-Funktionen ist. Dieses Jahr habe ich versucht, nur mit dem Bot zurechtzukommen.
Das fühlte sich leider von Anfang an nicht besonders gut an: Der Chatbot wirkt überladen, nach dem Öffnen des Chats erschien neben häufig gestellten Fragen und Hinweisen zu anderssprachigen Versionen des Bots auch eine News-Meldung dazu, dass man vorbörsliche Aufträge platzieren kann. Ziemlich viele Informationen – und zumindest die völlig zusammenhangslose News-Meldung hätte man sich sparen können.
Die Interaktion fühlte sich zudem nicht wie ein Chat an. Der Bot spuckte einfach Links zu den jeweiligen Themen aus, die ich erwähnte. Die Hoffnung, dass der Chat auf konkrete Fragen eingehen kann, wurde nicht erfüllt. Auf Anfrage hiess es bei Swissquote, man habe vor, demnächst auf eine GPT-Variante umzustellen. Es ist also denkbar, dass der Bot schon bald – wenn nicht jetzt schon – besser darin wird, auf den Gesprächspartner einzugehen.
Der Bot versteht zudem kein Schweizerdeutsch. Als ich ihm sagte, ich wolle ein Konto eröffnen, antwortete er mit Informationen zu Kontogebühren. Immerhin: Da der Bot eh fast nur generelle Informationen zu den genannten Themen lieferte, konnte er sich auch bei schweizerdeutschen Fragen einigermassen durchwursteln. Wenn in der Frage «3a» vorkam, war es dem Bot fast egal, was drum herum stand – die Antwort lautete dann: «Hier finden Sie Informationen zu 3a-Konten.»
- Postfinance: «Befriedigend»
Format: Auswahloptionen
Bei der Postfinance war ich beim letzten Test fast schon begeistert, wie zuverlässig die Auswahloptionen zum Ziel führten. Leider fiel der Test dieses Jahr eher enttäuschend aus. Wahrscheinlich ist es der verstärkte Fokus auf konkrete Fragen, der den Bot überfordert. Das begann schon damit, dass eine meiner Fragen zu lange war – maximal 130 Zeichen sind erlaubt. Für komplexe Fragen ist da wohl kein Platz.
Generell führten konkrete Fragen zu einem merkwürdigen Austausch. Es brauchte einige Klicks, bis der Bot mir verriet, wie viel ich maximal in die Säule 3a einzahlen kann. Bestimmte Fragen verstand er überhaupt nicht. Und sein Schweizerdeutsch schien auch schlechter geworden zu sein; «Konto uftue» interpretierte der Bot als Kündigungswunsch.
Hier zeigen sich natürlich die Grenzen von Stichprobentests. Denn auf der technischen Seite hat sich angeblich gar nicht viel geändert. Bei der Postfinance heisst es auf Anfrage, dass der aktuelle Bot, der auf einem eigenen Sprachmodell basiert, seit 2017 in Betrieb ist. Ich hatte also schon das letzte Mal mit demselben Chatbot gesprochen, damals aber einen wesentlich besseren Eindruck bekommen.
Man arbeite derzeit an einer neuen Version, schreibt die Bank weiter. Und: Komplexere Anliegen, bei denen die Bots nicht weiterhelfen können, würden weiterhin von Mitarbeitenden bearbeitet.
Format: Auswahloptionen
Obwohl Yuh mir vor zwei Jahren sagte, man werde 2023 einen neuen Chatbot mit zusätzlichen Funktionen lancieren, fühlte sich die Chat-Funktion 2024 immer noch fast gleich an. Das heisst: Man muss sich durch Menüs klicken und erhält dann (meistens) die generellen Informationen zum gewünschten Thema. Welche neuen Funktionen da sein sollen, weiss ich nicht. Seitens Yuh heisst es auf Anfrage, es gebe einen Chatbot in der App und den von moneyland.ch getesteten Bot auf der Website. Möglicherweise kam das Upgrade nur Ersterem zugute.
Ebenfalls nicht neu, aber trotzdem positiv zu erwähnen: Weiterhin bietet der Chatbot von Yuh in einer eigenen Sektion Funktionen für den Notfall, zum Beispiel wenn man plötzlich keinen Zugriff aufs Konto mehr hat. Eine Sammlung solcher Informationen zu Situationen, in denen es schnell gehen muss, ist aus Kundensicht sehr nützlich.
- Migros Bank: «Ungenügend»
Format: Chatbot
Von allen getesteten Bots fühlt sich dieser am meisten wie ChatGPT an. Er haut seine Antworten mit vollster Überzeugung und in astreiner Sprache raus – und trotzdem wird man den Verdacht nicht los, dass das Gesagte möglicherweise völliger Quatsch ist.
Und tatsächlich: Auf die Frage, wo man am meisten Zins erhält, spricht der Bot von einem Anlagekonto namens MB+. Er verlinkt sogar auf verschiedene Dokumente, die einem mehr Informationen geben sollen. Nur: Das Produkt MB+ gibt es aktuell gar nicht und es ist in den verlinkten Dokumenten auch nicht zu finden. Laut der Migros Bank war die Datenbank des Bots veraltet. Nachdem moneyland.ch auf den Fehler aufmerksam gemacht hatte, wurde er korrigiert. Aber es ist natürlich nicht die Aufgabe der Nutzerinnen und Nutzer, zu kontrollieren, ob die Angaben im Chat stimmen.
Von manchen Fragen war der Chatbot zudem verwirrt. Insbesondere schien er nicht zu wissen, dass man bei der Migros in die Säule 3a einzahlen kann. Auch Schweizerdeutsch war eine Herausforderung für den Bot. Allerdings führte das vor allem dazu, dass er mehrfach nachfragen musste, was ich meine – eine Antwort erhielt ich am Schluss dann trotzdem. Und: Die Antworten, wenn sie denn stimmten, waren sehr nützlich und ausführlich. Das ist jedoch ein schwacher Trost, wenn Kundinnen und Kunden sich nicht auf die Informationen verlassen können. Für eine bessere Bewertung reicht es darum nicht.
Format: Mensch
Bei der Valiant reisst mir jetzt wirklich der Geduldsfaden. Bereits in der Vergangenheit war die Bank extrem langsam. Ich wartete auch dieses Mal wieder über 5 Minuten auf eine erste Antwort. Und zu aller Enttäuschung lautete die dann sinngemäss auch nur: «Es kommt drauf an.»
Die Wartezeit wurde danach sogar noch länger, sodass ich den Test schliesslich abbrach. Wäre ich als potenzieller Neukunde auf einer Website und würde im Chat, der angeblich live (!) ist, mehr als ein paar Minuten lang keine Antwort erhalten, würde ich wohl kaum weiter warten. Da ist es eigentlich geradezu egal, was die konkreten Antworten taugen.
Auf die langen Wartezeiten angesprochen, heisst es bei der Valiant, möglicherweise sei zur Zeit der Stichprobe gerade das Auftragsvolumen im Kundendienst sehr hoch gewesen. Das kann sein. Aber dem potenziellen Kunden ist es egal. Zudem ist das bereits der zweite Stichprobentest, in dem die Bank diesbezüglich negativ auffällt. Sie schreibt zudem, dass der Chat manchmal überhaupt nicht auf der Website angezeigt werde, wenn gerade viele Anrufe reinkommen. Vielleicht sollte man diese Praxis intensivieren.
Fazit: Sind die Chat-Funktionen besser geworden?
In meinem Test hatte ich nicht den Eindruck, dass die angebotenen Funktionen besser geworden sind. Im besten Fall fühlen sich die Interaktionen noch genau gleich an, im schlimmsten Fall sogar schlechter. Möglicherweise bin ich auch etwas strenger geworden, zumal Chatbots und künstliche Intelligenz mittlerweile eine gewisse Omnipräsenz erreicht haben und von teils übertriebenen Versprechen umrankt sind.
Ob man überhaupt mit einem Chatbot reden will, dazu hat wohl jeder eine eigene Meinung. Denn ob ChatGPT und Co. nützlich sind, daran scheiden sich die Geister. Die einen sind beeindruckt davon, wie überzeugend die KI wirkt und wie nahtlos und schnell die Interaktionen sind. Die anderen regen sich über die Unzuverlässigkeit der Antworten und die fragwürdige Informationsbeschaffung, die dahintersteckt, auf. Der Test beweist zumindest, dass der Chat nicht komplett unnütz ist. Aber auch, dass die Technologie selbst heute noch bei weitem nicht ausgereift ist. Menschliche Intelligenz führt eher zum Ziel. Aber, wie der Valiant-Test zeigt, muss man den menschlichen Kundendienst auch erst einmal erreichen. Ein Bot ist da in der Regel etwas zuverlässiger verfügbar – zum Beispiel auch nachts.
Grundsätzlich finde ich, dass diese Bots merklich besser werden müssen, um eine Daseinsberechtigung zu haben, insbesondere als Alternative zu menschlichen Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern. Und zumal diese Entwicklung auszubleiben scheint, ist es vielleicht ein Schritt in die richtige Richtung, dass manche Anbieter ihre Chatbots bereits wieder eingestampft haben.
Weitere Informationen:
Test 2022: Chatbots der Finanzdienstleister
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