Wenn Sie in der Schweiz eine Rechtsschutzversicherung abschliessen, haben Sie grundsätzlich das Recht auf freie Anwaltswahl. Das steht in der Aufsichtsverordnung (AVO). Warum das so wichtig ist und wie frei Sie in der Praxis wirklich sind, erfahren Sie in diesem Artikel.
Für die freie Anwaltswahl sprechen drei Hauptgründe:
1. Bessere Interessenwahrung
Würde die Versicherung für Sie eine rechtliche Vertretung bestimmen, könnte das zu Interessenkonflikten führen. Denn in diesem Fall wäre denkbar, dass die gewählte Person nicht nur Ihre Interessen, sondern auch diejenigen des Auftraggebers vor Augen hätte.
Das kann einen grossen Unterschied machen: Ihrer Versicherung dürfte es vor allem darum gehen, dass die Kosten niedrig bleiben – entsprechend könnte für Ihren Vertreter ein für Sie nicht idealer, rechtlicher Vergleich in Frage kommen. Im Gegensatz dazu ist für Sie zentral, dass Sie vollumfänglich zu Ihrem Recht kommen. Dieses Ziel zu erreichen, ist meist teurer, als wenn man einen Kompromiss eingeht.
2. Mehr Vertrauen
Eine wichtige Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit mit Ihrer rechtlichen Vertretung ist, dass Sie sich gegenseitig vertrauen. Wenn Sie einfach eine Anwältin oder einen Anwalt zugewiesen bekämen, wäre das ungewiss.
Wenn Sie hingegen immer den gleichen Anwalt Ihres Vertrauens mit Ihren Anliegen berufen oder die Person bereits anderweitig kennen, dürften Sie sich besser vertreten fühlen, als wenn Sie eine komplett neue Beziehung mit Ihrem Rechtsvertreter aufbauen müssen. Auch Empfehlungen aus Ihrem Familien- oder Bekanntenkreis können Sie nur berücksichtigen, wenn Sie Ihre rechtliche Vertretung selbst wählen können.
3. Bessere Eignung
Wenn Sie Ihren eigenen Anwalt beziehungsweise Ihre eigene Anwältin wählen, können Sie sicherstellen, dass die Person für den vorliegenden Fall und Ihre Bedürfnisse möglichst gut geeignet ist. Dabei kann es sowohl um eine spezielle Ausbildung als auch um konkrete Erfahrung gehen. Beispiel: Ein Anwalt, der seit Jahren Fälle im Immobilienrecht betreut, kann Sie in einer Streitigkeit mit Ihrem Vermieter wahrscheinlich besser vertreten als einer, der hauptsächlich im Verkehrsrecht tätig ist.
Kann die Versicherung meinen Anwalt ablehnen?
Da die AVO eine freie Anwaltswahl vorschreibt, haben Sie in der Schweiz grundsätzlich das Recht, Ihren für ein Verfahren benötigten rechtlichen Vertreter frei zu wählen. Ihre Rechtsschutzversicherung hat aber etwas Spielraum: Sie kann den von Ihnen gewählten Anwalt ablehnen. Daraufhin können Sie drei weitere Rechtsvertreter vorschlagen und die Versicherung muss einen davon akzeptieren.
Diese Regelung muss in den Vertragsbedingungen vermerkt sein, sonst können Sie davon ausgehen, dass die freie Anwaltswahl uneingeschränkt gilt. Viele Schweizer Anbieter, die Sie im Vergleich von moneyland.ch finden, haben allerdings eine solche Klausel. Wenn Sie eine Versicherung im Vergleich auswählen, ist jeweils unter dem Punkt «Anwaltswahl» vermerkt, welche Regeln diesbezüglich gelten.
Keine Begründung für Ablehnung nötig
Die Möglichkeit, eine Anwältin oder einen Anwalt abzulehnen, dient aus gesetzlicher Sicht vor allem dazu, Interessenskonflikte zu vermeiden. Die Versicherung muss Ihnen allerdings keine Begründung nennen, warum sie Ihre erste Wahl ablehnt. Somit kann ein Anbieter auch aus anderen Gründen die von Ihnen gewählte Rechtsvertretung ablehnen – zum Beispiel weil sie zu teuer ist.
Auf Anfrage von moneyland.ch heisst es bei den Versicherungen, man lehne den Anwalt vor allem dann ab, wenn der Anbieter der Meinung ist, dass die Person sich nicht für die Bearbeitung der vorliegenden Streitigkeit eigne. Gerade in diesem Punkt seien Versicherte oft auf Unterstützung angewiesen, weil viele von ihnen gar keine Anwälte kennen. Es komme aber sehr selten vor, dass ein Anwalt effektiv abgelehnt wird.
Welche Rolle spielt der Preis?
Wie hoch der Stundenansatz Ihres Anwalts ist, dürfte keinen grossen Einfluss darauf haben, ob Ihre Versicherung die Wahl ablehnt. Denn in vielen Policen ist ausdrücklich festgehalten, dass die Versicherung die Kostengutsprache begrenzen kann. Ein Stundenansatz von bis zu 250 Franken ist branchenüblich und wird in der Regel akzeptiert. Bei komplexeren Fällen kann der von der Versicherung akzeptierte Ansatz auch höher sein. Wenn Sie allerdings die drei teuersten Anwälte im Gerichtskreis wählen, muss die Versicherung zwar einen davon akzeptieren. Womöglich müssen Sie einen Teil der Kosten dann aber selbst tragen.
Bei den meisten Anbietern ist allerdings nicht aus der Police ersichtlich, wie hoch die Kosten für die rechtliche Vertretung maximal sein dürfen. Auf Anfrage heisst es in der Regel, dass man jeden einzelnen Fall prüfe – Sie müssen sich also selbst direkt bei der Versicherung erkundigen.
Achtung: Wenn Sie mit Ihrer Anwältin oder Ihrem Anwalt eine Erfolgsprämie vereinbaren, wird diese in der Regel nicht von der Versicherung übernommen.
Örtliche Zuständigkeit
Eine weitere Einschränkung der freien Anwaltswahl ist, dass Ihre Rechtsvertretung laut vielen Policen «örtlich zuständig» sein muss. Das bedeutet, dass der Anwalt oder die Anwältin in der Regel ihren Geschäftssitz im Bezirk der Behörde haben muss, die für das Verfahren zuständig ist. Je nach Anbieter müssen Sie die Mehrkosten für einen Anwalt ausserhalb des Gerichtskreises selber tragen.
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