Ist die Volatilität der Feind aller Anlegerinnen und Anleger? Nicht unbedingt, denn es gibt verschiedene Strategien und Finanzinstrumente, mit denen sie sich dagegen absichern und sogar davon profitieren können.
Volatilität wird manchmal mit dem Verlustrisiko gleichgestellt. Das vermittelt den Eindruck, dass hohe Volatilität für Anlegerinnen und Anleger ausschliesslich von Nachteil ist. Das stimmt jedoch nicht: Volatilität stellt sowohl die Gefahr eines Verlustes als auch die Chance auf einen Gewinn dar. Für Investorinnen und Investoren mit langfristigem Anlagehorizont sind volatile Phasen deshalb in der Regel kein Problem. Wer eine volatile Wertschrift langfristig hält, muss sich keine Sorgen wegen starker Schwankungen innerhalb kürzerer Phasen machen.
Hohe Volatilität bei Abwärtstrends
Da starke Preisschwankungen in der Regel aufgrund von Unsicherheiten im Markt entstehen, kann es aber durchaus einen Zusammenhang zwischen sinkenden Preisen und Volatilität geben. Abwärtsbewegungen an der Börse sind in der Regel heftiger als Aufwärtsbewegungen. Das heisst, Verluste entstehen über einen kürzeren Zeitraum als Gewinne – die Volatilität ist darum in der Regel höher, wenn es bergab geht. Wie Anlegerinnen und Anleger auf einen Zusammenbruch der Kurse reagieren können, lesen Sie in diesem Artikel zum Thema Börsencrash.
Wenn Sie in einen volatilen Markt investieren oder die Kurse Ihrer Wertschriften plötzlich stark zu schwanken beginnen, müssen Sie einen kühlen Kopf bewahren. Diese Mittel können Anlegerinnen und Anleger anwenden, um von Volatilität zu profitieren – oder um sich dagegen abzusichern:
Wenn die Märkte stark auf und ab gehen, können Anlegerinnen und Anleger versuchen, von den täglichen Schwankungen zu profitieren, indem sie ihrem Broker Limit-Aufträge erteilen oder selbst den Markt verfolgen und rechtzeitig kaufen beziehungsweise verkaufen. Die Strategie wird auch Swingtrading genannt. Oft finden die Transaktionen innerhalb des gleichen Handelstages statt – es handelt sich in diesem Fall um Daytrading.
Die Idee: Sie kaufen eine Wertschrift zu einem bestimmten Preis und legen ein darüber liegendes Verkaufslimit fest. Sobald der Kurs dieses Limit überschreitet, wird die Wertschrift wieder verkauft. Die Kunst ist es, das Limit so festzulegen, dass es aufgrund der aktuellen Volatilität erreicht wird – auch wenn nicht damit zu rechnen ist, dass die Wertschrift diesen Preis lange halten kann.
Dieser Vorgang lässt sich theoretisch beliebig wiederholen. Jedes Mal, wenn die Wertschrift unter einen bestimmten Preis rutscht, wird gekauft – um dann zu einem festgelegten Preis wieder zu verkaufen.
Das Problem mit der Strategie ist, dass sie nicht auf fundamentale Werte gestützt ist. Ob der Plan aufgeht, ist allein davon abhängig, ob die erwartete Volatilität zu den entsprechenden Kursausschlägen führt. Es kann auch gut sein, dass sich der Kurs gar nicht oder in die völlig falsche Richtung bewegt. Häufiges Kaufen und Verkaufen verursacht zudem im Vergleich zur «Buy and Hold»-Strategie hohe Kosten und setzt ein ausserordentlich gutes Timing voraus.
Verschiedene Indizes geben an, wie volatil der Markt aktuell und in naher Zukunft sein dürfte. Der bekannteste davon ist der sogenannte VIX-Index, auch «Angstbarometer» genannt. Er bildet die Volatilität des S&P 500 ab. Für die Volatilität im Schweizer Aktienindex SMI gibt es beispielsweise den VSMI, für die grössten europäischen Firmen heisst der Volatilitätsindex VSTOXX.
Anlegerinnen und Anleger können mit bestimmten Finanzprodukten in solche Indizes investieren. Dies geschieht beispielsweise mit Futures und Optionen. Die Auswahl für private Investorinnen und Investoren in der Schweiz ist allerdings noch relativ klein und besteht vor allem aus VIX-basierten Produkten.
Steigt die Volatilität, steigt auch der Volatilitätsindex. Das hat zur Folge, dass diese Indizes in der Regel in die Höhe schiessen, wenn es an den Börsen zu grossen Korrekturen oder gar einem Crash kommt. Darum werden auf solchen Indizes basierende Volatilitäts-Derivate meist als Absicherung für den Fall gesehen, dass aufgrund von starken Abwärtsschwankungen über kurze Zeit grosse Verluste im Portfolio entstehen.
Wer mit wilden Ausschlägen nach oben oder unten rechnet, kann sich diese mit Optionen zunutze machen. Optionen lohnen sich vor allem dann, wenn sich der Preis des zugrundeliegenden Werts unerwartet und massgeblich verändert. Volatilität kann solche Veränderungen selbst dann hervorbringen, wenn sich der Markt als Ganzes kaum vom Fleck bewegt.
Diese Strategie setzt voraus, dass Sie die richtige Art von Option für die jeweilige Kursentwicklung kaufen beziehungsweise verkaufen. Eine Put-Option zu kaufen, lohnt sich beispielsweise nur, wenn der zugrundeliegende Wert daraufhin einen massgeblichen Preissturz erlebt. Ein Kurssprung würde Ihnen in diesem Fall hingegen nichts bringen. Zudem kommt es darauf an, ob Sie den Basiswert jederzeit (amerikanische Option) oder nur zu einem bestimmten Zeitpunkt (europäische Option) verkaufen können.
Optionen sind für unerfahrene Anlegerinnen und Anleger in der Regel nicht geeignet, da sie komplex sind. Zudem kann der Handel mit Optionen teuer sein, insbesondere dann, wenn die erwartete (implizite) Volatilität des zugrundeliegenden Werts im Markt bereits als hoch eingestuft wird. Die Strategie funktioniert also nur, wenn die künftige Volatilität höher ist, als bereits in die Option eingepreist.
Implizite Volatilität
Die implizite Volatilität einer Option besagt, wie volatil der zugrundeliegende Wert (zum Beispiel eine Aktie) über die verbleibende Laufzeit der Option voraussichtlich sein wird. Es handelt sich also um die erwartete Schwankungsbreite des Basiswert-Preises bis zum Verfallsdatum der Option. Eine Option wird teurer, wenn die implizite Volatilität steigt.
Mit sogenannten Volatility Swaps können Anlegerinnen und Anleger direkt auf die Volatilität des zugrundeliegenden Werts (zum Beispiel eine Aktie oder ein Index) wetten. Dabei ist egal, ob sich der Kurs dieses Werts insgesamt nach oben oder nach unten bewegt. Relevant ist nur, wie stark sich der Preis verändert.
Ausschlaggebend ist bei diesen Finanzprodukten, ob die realisierte Volatilität selbst grösser ist als die erwartete (implizite). Ein vereinfachtes Beispiel: Ein Anleger kauft einen Volatility Swap auf den SMI mit einer Laufzeit von einem Jahr für 1000 Franken. Zum Zeitpunkt des Kaufs hat der SMI eine implizite Volatilität von 10 Prozent für die kommenden zwölf Monate. Nach einem Jahr beträgt die realisierte Volatilität des SMI jedoch 15 Prozent. Die Differenz von 5 Prozent führt zu einem Gewinn für den Anleger von 50 Franken (5 Prozent von 1000 Franken). Falls der SMI in der gleichen Zeit nur eine realisierte Volatilität von 5 Prozent gehabt hätte, wäre der Verlust stattdessen 50 Franken gewesen.
Volatility Swaps werden ausserbörslich gehandelt. Genau genommen handelt es sich nicht um Swaps, sondern um Forwards. Ein echter Swap ist hingegen der Variance Swap – ein Finanzinstrument, das dem Volatility Swap sehr ähnlich ist.
Die genaue Funktionsweise solcher Derivate ist von Fall zu Fall sehr unterschiedlich, sodass die Berechnung von Gewinnen und Verlusten wesentlich komplexer als im obigen Beispiel sein kann. Aufgrund der Komplexität eignen sie sich nicht für unerfahrene Anlegerinnen und Anleger.
Volatilitäts-Arbitrage ist eine Strategie im Optionenhandel, bei der nicht auf den Preis eines zugrundeliegenden Werts, sondern auf dessen Volatilität spekuliert wird. Dabei kombiniert eine Anlegerin oder ein Anleger eine Long- mit einer Short-Position, zum Beispiel so: Sie kaufen eine Call-Option, deren implizite Volatilität vom Markt Ihrer Meinung nach als zu niedrig einschätzt wird. Dann eröffnen Sie beispielsweise mit einem Leerverkauf eine Short-Position auf den zugrundeliegenden Wert dieses Calls, sodass sich die beiden Positionen ausgleichen.
Das Verhältnis zwischen der Long- und Short-Position wird nun mittels eines sogenannten Delta-Hedgings aufrechterhalten – die beiden Positionen bleiben also immer ausgeglichen, selbst wenn sich der Preis des zugrundeliegenden Werts verändert. Das bedeutet im obigen Beispiel, dass Sie zusätzliche Leerverkäufe tätigen, falls der Preis des zugrundeliegenden Werts steigt – und dass Sie umgekehrt weitere Call-Optionen kaufen, wenn deren Preis sinkt. Das führt dazu, dass Sie kleine Gewinne machen, wenn die Preise oft und stark schwanken (sie verkaufen zu hohen Preisen und kaufen zu tiefen Preisen wieder ein). Wenn sich die Preise wenig oder gar nicht verändern, machen Sie hingegen einen Verlust in Höhe der Prämie, die Sie für die Optionen gezahlt haben.
Der Vorteil dieser Strategie ist, dass es für Sie nicht darauf ankommt, in welche Richtung sich der Basiswert entwickelt. Voraussetzung für eine erfolgreiche Volatilitäts-Arbitrage ist allerdings, dass Sie die implizite Volatilität von Optionen besser einschätzen können als der Rest des Markts. Andernfalls machen Sie womöglich Verluste oder zumindest keine Gewinne. Zudem verursacht Delta-Hedging Kosten, die Ihre allfälligen Gewinne schmälern.
Der Nachteil ist, dass Volatilitäts-Arbitrage nur in einem relativ stabilen Marktumfeld kontinuierliche Gewinne verspricht. Bei extremen Unsicherheiten im Markt kann auch diese Strategie zu Verlusten führen. Sie lohnt sich also nur, wenn der Markt insgesamt einigermassen stabil ist – und selbst dann bleibt die Rendite moderat.
Da hohe Volatilität oft dann auftritt, wenn die Märkte sich in einem Abwärtstrend befinden, können sich Leerverkäufe vermehrt lohnen. Wenn der Preis des Wertpapiers stark nach unten ausschlägt, können Leerverkäufer es günstig zurückkaufen und so einen Profit machen.
Voraussetzung für den Erfolg dieser Strategie ist, dass es effektiv einen Kursausschlag nach unten gibt. Andernfalls lohnt sich die Short-Position nicht. Reine Volatilität reicht alleine also nicht aus, sondern die effektive Kursentwicklung muss sich nach unten bewegen. Wenn die Volatilität dazu führt, dass der Kurs sowohl nach unten als auch nach oben ausschlägt, kann es zudem sein, dass sich eine Long-Position mehr gelohnt hätte – zumal bei Short-Positionen zusätzliche Finanzierungskosten entstehen. Je länger Sie eine Short-Position halten, desto höher sind die Kosten.
Mehrere Analysen historischer Daten haben gezeigt, dass Short-Selling dazu führt, dass die Volatilität im Markt ansteigt. Wenn Anlegerinnen und Anleger mit Leerverkäufen auf Volatilität reagieren, heizen sie diese also sogar noch an.
Absicherung gegen Verluste
Auf Volatilität basierende Finanzinstrumente werden in der Regel vor allem als Absicherung gegen unerwartete Kursverluste genutzt. Auch viele herkömmliche Strategien wie Diversifikation und die Nutzung des Durchschnittskosteneffekts können dazu beitragen, Verluste bei volatilen Wertschriften abzufedern.
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